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Gentests und Ahnenforschung: hochsensible Daten im Spiel

Voraussichtliche Lesedauer: 4 minutes

Die Desoxyribonukleinsäure, kurz DNA, ist der Bauplan nicht nur des menschlichen Lebens. So enthalten alle Zellen des menschlichen Körpers die gesamte Erbinformation, bestehend aus 23 Chromosomenpaaren, die mütter- und väterlicherseits vererbt werden. Kurz nachdem wir im neuen Jahrtausend angekommen waren, erfolgte in der Forschung der Durchbruch. So ist im Juni 2000 das menschliche Genom vollständig entschlüsselt worden. Die medizinische Sensation war perfekt, der Grundstein für Entwicklungen, wie den mRNA-Impfstoff gegen das Coronavirus von Biontech gelegt. Über weitere praktische Möglichkeiten der sogenannten Genom-Editierung hatten wir uns übrigens schon im September 2019 hier ausführlicher Gedanken gemacht.

Gentests und Ahnenforschung – hochsensible Daten

Im weltweiten Geschäft mit der Ahnenforschung bieten Privatunternehmen – wie 23andMe, Anchestry, MyHeritage und FamilyTreeDNA – ihren Kunden Gentests zur Bestimmung der eigenen Herkunft an. Der Vorgang gestaltet sich einfach und bequem. Die Kundin/der Kunde erhält auf dem Postweg ein Teströhrchen, in das sie/er spucken muss. Oder auch ein Wattestäbchen für einen Wangenabstrich im Bereich der Mundschleimhaut. Das vorfrankierte Kuvert geht zurück zur Analyse an das Unternehmen. Derartige Tests kosten, einschließlich der Analyse, je nach Anbieter zwischen 50 und 100 Euro.

Die Tests werben mit der Aussicht, neue Verwandte zu finden. Und mit ergreifenden Bildern, die die Zusammenführung von Familien, Schwestern, Brüdern und Eltern belegen. In Videos treten Menschen auf, die von sich behaupten, die Erkenntnisse der Tests, wie die regionale Eingrenzung der Herkunft ihrer Vorfahren, hätten sie in den Zustand innerlicher Vollkommenheit versetzt – „I feel complete“.  

Die Durchführung der Gentest hilft vor allem aber auch Pharmakonzernen. Die mit der Ahnenforschung befassten Unternehmen veräußern diesen die gewonnenen Daten, wie die NZZ am 23.4.2021 breit berichtete. „Der wahre wirtschaftliche Nutzen liegt in den Datenschätzen, welche die Firmen so anhäufen. Seit 2006 hat beispielsweise 23andMe aus Sunnyvale im Silicon Valley die Gendaten von mehr als 12 Millionen Personen gesammelt.“ Und damit eine der größten Gendatenbanken der Welt. Diese Daten sind regelrecht Gold wert, indem man sie für die Medikamentenentwicklung nutzt.

DNA-Datenbanken gegen das Verbrechen

In den USA sind zudem die sich durch die Popularität der Gentests zur Ahnenforschung rasch füllenden DNA-Datenbanken für Kriminologen ein wahrer Segen. Sie helfen auch über Jahrzehnte hinweg ungelöste Fälle schwerster Verbrechen – „Cold-Case-Ermittlungen“ – zu lösen. Der Weg der Ermittler führt hierbei oftmals über weit entfernte Verwandte/Nachfahren der Täter und Täterinnen, die sich freiwillig dem Test unterzogen haben. Und über kleinste Mengen genetischen Materials, das viele Jahre zuvor am Tatort gesichert worden ist.

Um eine Untersuchung anstellen zu können, benötigt es weniger als ein Nanogramm (ng) genetisches Material. Ein ng – die physikalische Einheit für die Masse eines Körpers – entspricht einem Billionstel Kilogramm (1 geteilt durch eine 1 mit 12 Nullen). „Jede Person lässt 100 Verwandte sichtbar werden, Eltern, Zwillinge, Tanten, Onkel, Cousinen. … Realistisch betrachtet, teilt jeder Mensch die DNA mit annähernd 1000 anderen Menschen in Vergangenheit und Zukunft. … nimmt man Daten von 1.3 Millionen Menschen in den USA, reicht dies aus, um 60% der aus Europa stammenden Amerikanerinnen und Amerikaner zu identifizieren.“ Allein dies verweist auf das immense Potenzial jedes einzelnen Gentests. Die (er)kenntnisreiche Dokumentation von Veritasium vom 30.9.2021 auf Youtube – wir haben die vorstehenden Passagen dort entnommen und übersetzt – eröffnet in knapp 27 Minuten darüber hinaus Einblicke in das lukrative Geschäft mit den Gentests, aber auch den damit erzielten 70 Cold-Case-Ermittlungserfolgen in den Vereinigten Staaten.

Gefahrenpotenzial privater Gentests

Kritiker sehen in dem für die privaten Anbieter lukrativen Geschäft mit den Gentests zum Zwecke der Ahnenforschung eine Gefahr. Sie bezweifeln zudem deren Aussagekraft. Denn die dem Kunden dargestellten Prozentzahlen seien „… rein statistisch, aus einer sehr begrenzten Datenbank der Weltbevölkerung ermittelt.“ Dies sei eine Art genetische Astrologie – hören wir in der knapp 6-minütigen Wissenssendung „Terra X“ vom 6.5.2018 Dirk Steffens sagen.

Auch ist zu bedenken, was in Zukunft mit den Daten geschieht. „When it is out there, it is out. … Yeah you’re giving away something, that you don’t know what it can do.“ Dies ist eine Aussage aus der oben bereits zitierten englischsprachigen Dokumentaton. Dass Nachteile aus solch einem Gentest entstehen können, zeigt sich beispielsweise aus der potenziellen Möglichkeit für Krankenkassen, daraus Risikoprofile für das Auftreten von Krankheiten abzuleiten. Und dann gemäß der Erkenntnisse die individuellen Beiträge für die Krankenversicherung daran anzupassen. Auch die Weitergabe/der Weiterverkauf der einmal in den Umlauf gebrachten Daten kann praktisch nicht mehr nachverfolgt werden. Er entzieht sich jeglicher Kontrolle. Von möglichen Datendiebstählen durch Hacker ganz zu schweigen.

Und hier wird es wieder mal spitz – sehr, sehr spitz. 

#PreppoKompakt

Kurz gesagt, wer sich dafür entscheidet, einen Gentest zur Ahnenforschung bei einem Privatunternehmen durchführen zu lassen, gibt (leichtfertig) hochsensible Daten aus den Händen. Diese Entscheidung ist endgültig und unumkehrbar. Sie betrifft – ungefragt – auch alle entfernten, ja sogar die zukünftigen Verwandten. Was letztlich mit den Daten geschieht, vor allem ob sie in Zukunft auch zum eigenen Nachteil ausgelegt werden, weiß niemand. Die eigene DNA sollte deshalb nur zur Abklärung erblich bedingter Krankheitsrisiken bei einer ärztlichen Untersuchung geteilt werden. Hierbei gelten in Deutschland strenge Auflagen zum Datenschutz und hinsichtlich der persönlichen Beratung.

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