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Spitz-findig-keit #34

6 minutes

Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstösse zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitz-findig-keit #34

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Wir starten mit dem Hinweis auf den heutigen Volkstrauertag – im gemeinsamen Gedenken an alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Bei der zentralen Gedenkstunde im Deutschen Bundestag singt der bekannte Fernsehmoderator und Fußballkommentator Reinhold Beckmann das Lied „Vier Brüder“. Seine Mutter Aenne hatte durch den Krieg in den Jahren 1942 bis 1945 alle ihre Brüder verloren. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. hat ihn unter der Überschrift „Der vierte stumme Schrei“ zum Lied und zur Familie befragt (veröffentlicht am 9.11.2021). Die Gedenkstunde wird ab 13:30 Uhr in der ARD, bei Phoenix und im Parlamentsfernsehen übertragen.

In der zurückliegenden Woche gab es weitere Gedenktage, die erinnernswert sind. Wir stellen uns deshalb mit Hilfe der von uns regelmäßig frequentierten Medien dieser Aufgabe, indem wir sie kurz zusammenfassen. Und wir spielen ein klein wenig mit Zahlen herum.

1. Spitz-findig-keit

Zunächst zum Dienstag, über den Reinhard Müller in faz-net am gleichen Tag schreibt: „Es ist ein historischer Zufall, dass der 9. November der Tag der Ausrufung der Republik, der öffentlichen Verfolgung und Ermordung jüdischer Bürger und zugleich der Tag ist, an dem die Mauer fiel, die Deutschland über Jahrzehnte geteilt hatte.“

1918, als nach Abdankung von Kaiser Wilhelm II der SPD-Vorsitzende Philipp Scheidemann vom Balkon des Berliner Reichstages die erste deutsche Republik ausrief. 1938, als SA-Truppen und Angehörige der SS über die jüdische Bevölkerung herfielen, Geschäfte von jüdischen Inhabern plünderten, Wohnungen verwüsteten. Mit der „Reichspogromnacht“ begann die systematische Vernichtung von sechs Millionen europäischen Juden durch die Nationalsozialisten bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Den Tag des Mauerfalls 1989 haben wir schon in der Spitzfindigkeit #21 mit Worten von Walter Kempowski und aus eigenem Erleben beschrieben und gewürdigt: Allen Grund, auf diese friedliche Revolution sehr stolz zu sein.

Man könnte auch noch die Jahre 1848 mit der Märzrevolution und 1923 mit dem Hitlerputsch anfügen, wie von MDR Aktuell am 9. November sauber zusammengetragen.

„Der Blick zurück macht die ‚res publica‘ mit all ihren Narben erst zu dem, was sie ist: unser Land. In der Geschichte ist nicht nur der Schrecken gegenwärtig; sondern auch die Aussicht, dass man immer wieder aufstehen kann. Sie lehrt gewiss keinen Hochmut, sondern Demut. Aber auch Stolz, ohne den sich die Zukunft nicht meistern lässt. Wachsam, dankbar und mit Zuversicht – so lässt sich nicht nur der 9. November begehen.“ So Reinhard Müller mit feinem Gespür und klarem Verstand.

2. Spitz-findig-keit

Noch weiter zurück in der Geschichte führt uns der vergangene Donnerstag. Vor 200 Jahren, am 11. November 1821, wurde Fjodor Michailowitsch Dostojewski geboren. DerStandard spricht von Genie und Wahnsinn, einem Röntgenblick in die menschliche Seele und dass sein Werk bis heute nichts von seiner Wucht verloren habe. Gleich sechs Neuerscheinungen über den russischen Schriftsteller aus renommierten Berliner (allein vier), Münchner und Basler Verlagshäusern werden von Wolf Scheller nebenbei vorgestellt.

Die Hauptstationen des Lebens von Fjodor Michailowitsch und seine Werke, wie ‚Schuld und Sühne‘, ‚Der Idiot‘, ‚Die Dämonen‘ und ‚Die Brüder Karamasow‚* – sein letzter und nach Sigmund Freud der „großartigste Roman, der je geschrieben wurde“ – sind in dem 53-minütigen ARTE-Beitrag ‚Spieler seines Lebens‘ (verfügbar bis 8.5.2022) sehr eindrucksvoll wiedergegeben. Seine Krankheiten, seine Spielleidenschaft, seine Besessenheit und seine Liebe zur 25 Jahre jüngeren Anna und deren entscheidende Rolle bei der Niederschrift des stark autobiographischen Romans ‚Der Spieler‘ sind packend beschrieben. Auch in Szene gesetzt, zudem kommentiert von sechs Dostojewski-Expertinnen und -Experten.

Mit dem 200. Geburtstag haben sich übrigens auch Tichys Einblick am 10.11.2021 mit der Besprechung des Buches aus Basel und wiederum tag genau faz-net (hinter Schranke) beschäftigt. Kerstin Holm berichtet dabei direkt aus Moskau: „An seinem zweihundertsten Geburtstag ist Fjodor Michailowitsch Dostojewski in seiner Geburtsstadt Moskau quick­lebendig: als Herausforderung für Schriftsteller, als Theaterautor … und für die Jugend gleichermaßen. Russlands lebender Klassiker Vladimir Sorokin erklärte erst vor wenigen Tagen angehenden Literaten an der Moskauer Wirtschaftshochschule, warum er von Dostojewski nicht loskomme. Der Romancier, der Leidenschaften wie kein anderer Russe geschildert habe, so Sorokin, sei zugleich in Stilfragen irritierend gleichgültig gewesen; das anthropologisch Neue … sei mit solcher Energie aus ihm hervorgesprudelt, dass er Texte oft in Druck gab, ohne sie noch einmal zu lesen.“ Wenn das nicht ebenfalls für Fjodor Michailowitsch spricht, wer kann das schon von sich behaupten!

3. Spitz-findig-keit

Wir bleiben beim Datum und in der Gegenwart, indem wir uns aus dem NZZ-Podcast vom 11.11.2021 ein bei Chinesen gängiges Zahlenspiel näher anschauen. „Das Prinzip ‚996‘ kennt jeder in China … . Arbeitsbeginn morgens um neun Uhr; Arbeitsende abends um neun Uhr; und das sechs Mal die Woche. Und 996, das sei vielerorts üblich …“. Erklärt die NZZ-Redakteurin Katrin Büchenbacher aus der südchinesischen Stadt Shenzhen, Standort vieler großer Tech-Konzerne, wie dem Telekomausrüster Huawei oder dem Social-Media-Riesen Tencent.

„Black Lives Matter“ wird im Reich der Mitte durch eine seit Mitte Oktober diesen Jahres von vier jungen Programmierern angestossene Aktion zu „Worker Lives Matter“, wie die NZZ vom 21.10.2021 festhält.

Katrin Büchenbacher weiter im Podcast: „Chinesen seien eifrig … . Ihr Aufstiegsdrang immens. Doch gerade junge Angestellte würden sich zusehends gegen unmenschliche Arbeitszeiten wehren. Und auch die Aktivisten hinter ‚Workers Live Matter‘ wollen weitermachen … . So lange, bis sich 955 durchgesetzt habe: eine Arbeitszeit von neun bis fünf Uhr, mit einem zweitägigen Wochenende.“ Nicht nur daran hat die Gewerkschaftsbewegung in Europa ganz schön lange gearbeitet.

Und hier geht es weiter mit der DNA.

#PreppoKompakt

Für heute bei den Spitzfindigkeiten wieder mal fast alles gesagt. Vielleicht nur noch nachzutragen, dass am 11.11. auch ein guter Freund seinen 66. Geburtstag gefeiert hat. Kein Spieler wie F. M. Dostojewski, der übrigens noch nicht 60-jährig in Sankt Petersburg verstarb. Aber auch mit einer guten „Schreibe“, ein ausgezeichneter Publizist und Journalist Münchner Schule, als Volkswirt der Sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhards verbunden. Ein aufrechter, streitbarer Charakter, fleißig in Richtung 996. Aufgrund des großen beruflichen Erfahrungsschatzes bei seinen Ein- und Ausblicken mit enormem Durchblick, was sich seinen Leserinnen und Lesern, seinen Zuschauerinnen und Zuschauern ebenfalls erschließt.

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