Turbulenzen in Kryptowelt

Die Kryptowelt ist in Bewegung, man kann von Turbulenzen sprechen. Fast täglich gibt es Meldungen aus dem Finanzsystem, wie auch den Parallelwelten. Alle haben ein gewisses Potenzial. Dabei sind die Größenordnungen, um die es geht, gewaltig und die Unterschiede von Land zu Land entsprechend.

Turbulenzen in Kryptowelt

Gentlemen-„Räuber“ – einer mit weißem Hut

In den 1960er Jahren machte ein minutiös vorbereiterter Coup einer – in der späteren filmischen Umsetzung „Gentlemen“-Räuber genannten – Bande Furore. Am 8. August 1963 überfielen diese, ohne Schusswaffen einzusetzen, einen Postzug bei Ledburn/England und erbeuteten nach heutigem Wert laut Wikipedia etwa 56 Millionen Pfund Sterling/66 Millionen Euro.

Zum bisher größten Diebstahl von Kryptowährungen kam es 58 Jahre später auf der Finanzplattform „PolyNetwork“, wie diese am 10. August 2021 via Twitter öffentlich machte. So gelang es einem Hacker Kryptowährungen zehntausender Nutzer im Gesamtwert von über 612 Millionen US-Dollar in seine Verfügungsgewalt zu bringen. Worauf die Betreiber an den Unbekannten einen verzweifelten Tweet richteten, um eine Lösung zu finden – weiß die NZZ noch am gleichen Tag zu berichten.

Glücklicher Ausgang

Hätten die meisten Räuber vor dem Bildschirm wohl bei einem derartigen Coup historischen Ausmaßes nur müde über das Gesuch gelächelt, konnte sich PolyNetwork schnell über satte Rückzahlungen auf zuvor eigens dafür eingerichteten Adressen freuen.

Die einfache Begründung des Hackers. „Es sei nie sein Ziel gewesen, die Digitalwährungen tatsächlich zu stehlen oder Panik in der Kryptowelt zu verursachen – er habe das digitale Geld nur vor der Sicherheitslücke retten wollen.“ Wie die FAZ am 12.8.2021 berichtet, outete dieser sich als sogenannter „White Hat“. Dies sind Hacker, die ihr Know-how für das Gute einsetzen und präventiv gegen Kriminelle vorgehen oder deren Machenschaften aktiv durch Angriffe stören, wie die Sabotage derer Webseiten.

Nicht als Lösegeld, sondern als „Bug Bounty“, einer Belohnung für das Aufdecken von Fehlern und Sicherheitslücken, bietet das PolyNetwork dem Hacker nun 500.000 US-Dollar an. Wie das Manager Magazin am 13.8.2021 berichtet.

Regulierer der Kryptoszene von Amts wegen

Eine vergleichbare Aufgabenstellung – nur ohne gut dotierte Belohnung – verfolgt Gary Gensler, Chef der amerikanischen Börsen- und Wertpapierhandelsaufsichtsbehörde (SEC). Er plädiert für eine bessere Regulierung/Überwachung der Kryptowährungsmärkte – und begreift sich als ordnender Scheriff. Die NZZ vom 5.8.2021 berichtet über eine Rede, die er vor dem Aspen Security Forum gehalten hat. Und stellt den Enthusiasten der Kryptowelt die Skeptiker gegenüber.

Enthusiasten versus Skeptiker

Erstere glaubten an die innovative Alternative zum etablierten, sich längst überlebt habenden Finanzsystem. Inklusion, Demokratisierung, Anonymität, Unabhängigkeit von Zentralbanken und (im Niedrigzinsumfeld) hohe Renditen sind deren Argumente. Für die Skeptiker sind die Angebote der Krypto-Szene „… zu intransparent, zu langsam, zu teuer – schlicht betrügerisch.“ Sobald sie sich „… an die strikte Regulierung halten muss, welche für die traditionelle Finanzwelt gilt, ist es mit der Herrlichkeit vorbei.“

Regulieren – ja, auf jeden Fall

Gary Gensler möchte die Kryptowährungsmärkte so weit wie möglich regulieren. „In seinen Augen geht es in diesem Bereich zu wie im Wilden Westen, und wegen enormer Betrügereien sei die stringente Überwachung von Handels- und Lending-Plattformen sowie von sogenannten Stablecoins dringend geboten.“ So Christof Leisinger in der NZZ.

Auch Martin Hock in faz-net vom 12.8.2021 weckt diesbezüglich ernste Zweifel. Nachdem sich herausgestellt hat, dass Stablecoins eben nicht, wie beworben, zu hundert Prozent stabil, das heißt mit einer Fiat-Währung – in der Regel US-Dollar – hinterlegt sind. Es geht dabei um den zweitgrößten Stablecoin „USD Coin“ mit einem Volumen von 28 Milliarden Dollar, der von der größten Kryptobörse Coinbase angeboten wird. „Bei einem möglichen Run … stünden also kurzfristig allenfalls 60 Prozent der Reserven zur Verfügung.“ Auch beim größten Stablecoin „Tether“ sieht es, was die Barreserven – im Mai lediglich drei Prozent – anlangt noch weit schlechter aus. Ganz wesentlich, das alles ohne jede Einlagensicherung!

Inflation – Bitcoin als Antwort?

Wir hatten hier den Weg El Salvators zur Bekämpfung der Geldentwertung beschrieben. Auch der südamerikanische Nachbar Venezuela leidet unter unvorstellbar hohen Inflationsraten. Und verwendet ebenfalls US-Dollar und Bitcoin, wie die NZZ vom 12.8.2021 berichtet.

Bolívar

Am 1. Oktober werden vom Bolívar – der Landeswährung – sechs Nullen abgezogen. Dabei wurden seit 2008 im einstmals reichen Ölland bereits 14 Nullen gestrichen. „Aus dem ’starken‘ wurde 2018 der ’souveräne‘ und jetzt der ‚digitale‘ Bolívar. Damit will die Regierung von Diktator Nicolás Maduro den versprochenen Wandel zum digitalen Zahlungssystem vollziehen. Doch wie die angekündigten Überweisungen in Echtzeit funktionieren sollen – das weiss noch niemand. Angesichts der Stromausfälle und des schwachen Internets ist es auch gar nicht so einfach, Geldbewegungen per Smartphone oder Kartenmaschine zu vollziehen.“

US-Dollar

Zwischen 60 und 70 Prozent der Transaktionen finden heute in Dollar statt. Bezahlen in Bolívar ist umständlich, denn das Geld wird gewogen, nicht gezählt. Und seit Mitte 2019 sind auch die Preise in Dollar – vergleichbar El Salvator – um rund zwei Drittel gestiegen. Alles ist teuer, selbst für diejenigen, die von im Ausland lebenden Verwandten Dollars erhalten.

Bitcoin

„Beliebt für Transaktionen sind auch Bitcoins, die zum Teil auch in Venezuela gewonnen werden: Das Ölland war zeitweise ein Paradies für Schürfer von Kryptowährungen. Der Strompreis ist staatlich gedeckelt und erlaubt billiges Schürfen der digitalen Währungen – trotz den vielen Ausfällen im Stromnetz. Dennoch wird der digitale Bolívar nicht eines der Probleme lösen, vor dem alle Venezolaner täglich stehen, die auf das öffentliche Transportsystem angewiesen sind: Der neue Bolívar ist die kleinste Banknote. Wie sollen die Busfahrer Wechselgeld herausgeben, wenn ein einfaches Busticket einen halben Bolívar kostet?“ So Alexander Busch in der NZZ.

Und schon sind wir wieder mal spitzfindig.

#PreppoKompakt

Gut, dass wir nicht in Mittel- oder Südamerika leben. Aber wir werden uns wohl auch in Europa auf eine gewisse inflationäre Entwicklung einstellen müssen. Dass die Angebote der Kryptoszene zu regulieren sind steht außer Frage. Nur Maß und Mitte dabei beachten und das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Turbulenzen in der Kryptowelt sind vernünftig beherrschbar.

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