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Die Geld-Un-Ordnung

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Teil II: In einem der vielen Beiträge, die zur Thematik „Geldordnung“ in den vergangenen Jahren entstanden sind, heißt es einleitend. „Die jüngste Krise und die zu ihrer Bewältigung getroffenen Maßnahmen haben vielerorts zu einer Erschütterung von Vorstellungen darüber geführt, wie das Geld- und Finanzwesen funktioniert beziehungsweise funktionieren sollte!“1) Offenbar wird allgemein davon ausgegangen, dass es eine gewisse Selbstverständlichkeit über das Wissen und Verstehen der Funktionsweisen des Geld- und Finanzwesens gibt. Damit ist bereits eine der wesentlichen Grundvoraussetzungen für eine Geldordnung benannt. Sie sollte für alle Mitglieder, die mit und in einer solchen Geldordnung leben müssen, in des Wortes engster Bedeutung, „selbstverständlich“ sein. Ob unser bestehendes Geld- und Finanzwesen dieser Anforderung genügt, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Offensichtlich genügt unsere Geld-Un-Ordnung dem mitnichten!

Die Geld-Un-Ordnung Teil II.

Besseres Geld durch Digitalisierung

Wie so häufig in unserer heutigen Zeit wird das „Heil“ in solchen gesellschaftlich relevanten Frage- und Problemstellungen mit Hilfe des Zauberworts „Digitalisierung“2) gesucht – und selten genug gefunden! Stichworte dazu sind Bitcoin, Blockchain, payment token oder asset token.3)

Eine der wesentlichen Voraussetzungen zur Praktikabilität dieser Geldformen ist die ständige Verfügbarkeit umfangreicher digitaler Infrastrukturen. Deren Funktionsfähigkeit ist jedoch mit erheblichem Energieaufwand verbunden. Die mit diesem Geld verbundenen Sicherheitsaspekte und Risiken sind ebenfalls noch nicht ausreichend genug getestet. Dies birgt immer wieder neue Überraschungen.

Neben diesen Vorbehalten bestehen weitere Einwände gegen die Etablierung einer Geldordnung, welche auf solchen Voraussetzungen gegründet ist. Dazu zählen aus ordoliberalem Wirtschaftsverständnis, das neben der derzeit geltenden und praktizierten Geldordnung auch das Konkurrenzgeldsystem a la Hayek kennt, dass durch diese Form der Geldordnung, „… die unmittelbaren Effekte eine drastische Kreditverknappung mit höheren Zinsen wären, was kreditfinanzierte Investitionen dämpfen würde und deflatorische Effekte hätte, sofern keine expansive Wirtschaftspolitik dagegenhält. Unter Verteilungsgesichtspunkten würden Bemühungen zur Bewahrung bestehender gegenüber Anstrengungen zum Erwerb neuer Vermögen stark bevorteilt“.4)

Modern Monetary Theory

In den Diskussionen um die Neuordnung des Finanz- und Geldwesens spielt eine weitere Variante ökonomischer Überlegungen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Sie wird als „Modern Monetary Theory“, kurz MMT5) bezeichnet und sieht die Bedeutung der Geldordnung vorwiegend in enger Beziehung zu makroökonomischen Überlegungen.

Prof. Dirk Ehnts, einer der maßgeblichen Vertreter im deutschsprachigen Raum, beschreibt das Konzept unter der Überschrift „Von der Geldtheorie zur Makroökonomie“. „MMT erhebt den Anspruch, als Theorie eine empirisch nachweisbare Beschreibung der Realität zu liefern. Aussagen zum Geldsystem und zu makroökonomischen Zusammenhängen werden nur dann als wahr anerkannt, wenn sie als Buchungsvorgänge zwischen verschiedenen Bilanzen dargestellt werden können. MMT erfüllt so den Anspruch an eine empirische Wissenschaft, in der sich jede Hypothese an der Wirklichkeit messen lässt. Selbst wenn nicht alle Geldsysteme identisch sind, ist die ‚Falsifizierung‘ diesbezüglicher Aussagen durch Analyse der Makro- und Teilbilanzen möglich. MMT legt den Schwerpunkt nicht auf die (historische) Erklärung von ‚Geld‘ an sich, sondern betrachtet die Funktionen und Mechanismen der Schöpfung und Zerstörung von Einlagen bei Banken (Giralgeld) und Zentralbank (Reserven) in einem modernen Geldsystem mit staatlichem Geld.“ 

Und weiter: „Die entscheidenden Innovationen von MMT sind die Kombination von endogener Kreditschöpfung (Banken schaffen Giralgeld aus dem Nichts) und einer chartalistischen Sicht (Zentralbanken schaffen Zentralbankgeld aus dem Nichts) in Verbindung mit einer Makroökonomie, die sich strikt auf Einnahmen/Ausgaben und die damit verbundene Veränderung der finanziellen Nettoverschuldung der Sektoren Haushalte, Unternehmen, Staat und Ausland fokussiert. Zentral sind dabei Buchungssätze, die insbesondere die Verschränkung von Giralgeld und Zentralbankgeld erklären. Mithilfe der MMT sind Geld- und Finanzsystem einfach(er) zu verstehen und auch der Übergang zur Makroökonomie ist flüssiger als bei anderen Theorien. Wesentliche Erkenntnis: der moderne Staat, bestehend aus Regierung und Zentralbank, kann unbegrenzt Ausgaben tätigen, sollte diese Fähigkeit aber hauptsächlich zur Erreichung von Vollbeschäftigung einsetzen.“6)

Ziele von Geldkonzepten und -ordnungen

Bisher war hier vorwiegend vom Geld die Rede, von verschiedenartigen theoretischen Auffassungen darüber und Konzepten, sowie Systemen und Methoden zu dessen Behandlung. Zu fragen wäre ja vor allen Dingen: Welche Zielvorstellungen werden mit einer Geldordnung verknüpft? Oder: Was sind die Ursachen der immer wieder feststellbaren und spürbaren krisenhaften Erscheinungen und der „Geldunordnung“, die offenbar von den bestehenden institutionellen Regelungen des Geld- und Finanzwesens ausgehen?

Die MMT verbindet mit ihren geldtheoretischen Vorstellungen und Methoden vorrangig eine eindeutige wirtschaftspolitische Zielvorstellung: Erreichung von Vollbeschäftigung.

Über die Zielsetzung der digitalisierten Geldform Bitcoin erfahren wir. „Ein wesentliches Ziel der Bitcoin-Proponenten ist es, die Notwendigkeit auszuschalten, bei Markttransaktionen dritten Parteien in Form eines Zahlungsdienstleisters und einer Geldbehörde vertrauen zu müssen (Nakamoto zitiert in p2p Foundation o. J.). Aus diesem Grund ist das Projekt für ein Geld ohne Verbindung zu Kreditmechanismen, ohne Intermediäre und ohne zentrale Instanz geplant (Nakamoto 2009: 4).“7)

Und weiter: „Ein Ziel des Bitcoin-Konzepts ist es auch, ohne Banken auszukommen. Giralgeldschöpfung ist nicht vorgesehen und das durch den ‚Geldschöpfungs‘-Mechanismus quersubventionierte Bitcoin-Zahlungssystem bietet eine Alternative zur Banküberweisung im engen Sinn (also ohne die an Zahlungsdienste üblicherweise gekoppelten Dienste wie Kontoführung, gewisse Betrugsversicherung et cetera). Kredite wären somit auf interpersonelle Transfers von bestehenden Bitcoin-Guthaben beschränkt und somit deutlich verknappt.“8)

Geldwert als zentrales Ziel

Ein zentrales Ziel, das von vielen Geldkonzepten verfolgt wird ist der „Geldwert“. Was ist damit gemeint? Die Bundesbank erklärt es uns so. „Der Wert des Geldes bemisst sich allein daran, wie viel Waren und Dienstleistungen man sich für einen gegebenen Geldbestand kaufen kann. Der Wert des Geldes liegt also in seiner Kaufkraft und diese wiederum hängt von den Preisen ab. Je höher die Preise sind, desto geringer ist die Kaufkraft eines gegebenen Geldbetrags.“9)

Offenbar hat der Geldwert etwas mit Preisen, also mit Austauschverhältnissen auf Märkten zu tun und wird dort bestimmt. Somit sind alle Versuche, welche den Geldwert stabil halten wollen, letztlich vollständig abhängig von den Geschehnissen und Einflüssen, die von den vielfältigen Marktvorgängen ausgehen und bestimmt werden.

Unsere Vorfahren meinten einst, mit der Wahl eines seltenen Metalls und mit der Bindung der in Umlauf gebrachten Geldmenge an dieses Material, den Geldwert festhalten zu können. Diese Vorstellung wurde spätestens im Jahre 1971 endgültig zu Grabe getragen.10)

Geldangebot und Geldnachfrage

Nun ist das Geld selbst ein den Marktgesetzen und ihren Erfordernissen unterworfenes Gut. Dazu mit Eigenschaften ausgestattet, um damit in höchst kurzfristiger Weise spekulativ zu handeln. Die Einordnung des Geldes in die marktmäßigen Regularien bringt es mit sich, sich genauer mit den Bestimmungsgründen der Angebots- und der Nachfrageseite für dieses Gut und den damit verbundenen Folgen zu beschäftigen.

Dabei fällt auf, dass mit Ausnahme des Bitcoin-Konzeptes alle anderen Geldformen ein vollkommen elastisches Geldangebot aufweisen. Das Geldangebot passt sich in diesen Systemen also stets an die Geldnachfrage an. Das Regulativ ist der schon früher erwähnte und besprochene Zins. Allerdings geraten die „Geldinstanzen“ in dieser Umgebung immer wieder in Konflikte, da der Zins ebenfalls ein Regulativ für die Höhe der Kreditnachfrage und des Sparens darstellt. Also der für Investitionen in produktive Produktionsmittel sowie für den Konsum bestimmten Geldmengen. Er wirkt dadurch auf die damit verknüpften volkswirtschaftlichen Größen Beschäftigung und Export, sowie auf die Staatseinnahmen und Staatsausgaben.

Durch die unbestimmte Höhe des Geldangebotes entsteht somit ein Circulus vitiosus, ein Teufelskreis der sich gegenseitig selbst verstärkenden Rückkoppelungen. Und mit der gewünschten und ersehnten Geldordnung ist es dann wieder nichts!


1. Beat Weber, Ordoliberale Geldreform als Antwort auf die Krise? Bitcoin und Vollgeld im Vergleich, Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), ISSN 1861-1559, Duncker & Humblot, Berlin, Vol. 82, Iss. 4, pp. 73-88 (hier als pdf herunterzuladen).

2. Thomas Mayer, Parallelwährungen jenseits der Finanzaufsicht: Haben Bitcoin und Libra eine Zukunft? in: ifo Schnelldienst 17/2019, 72. Jahrgang, 12. September 2019. S. 3 ff (hier als pdf herunterzuladen).

3. Mayer, Th. a.a.O. S. 4

4. Vgl. Weber, B.  a.a.O. S. 86

5. Berliner Debatte Initial 28 (2017) 3, Dirk Ehnts „Modern Monetary Theory“ und Europäische Makroökonomie, S. 89 -102 (hier als pdf herunterzuladen).

6. Ebda. S. 89

7. Weber, B. a.a.O. S. 81

8. Weber, B. a.a.O. S. 84

9. Deutsche Bundesbank, Der Wert stabilen Geldes, Kapitel 5, Bildungsangebot der Deutschen Bundesbank.

10. Siehe dazu den Artikel „Nixon-Schock“ in der Süddeutschen Zeitung vom 15.8.2021 über diesen, in der Wirtschaftsgeschichte einmaligen Vorgang und seine Folgen.

Und hier geht es an Ostern spitzfindig weiter.

#PreppoKompakt

Teil II: Die mannigfaltigen Versuche, stabile und verlässliche Ordnung in das Geld- und Finanzwesen zu bringen, scheinen bisher wenig erfolgversprechend. Auch wenn immer wieder der Zins als „böser Bube“ für die Ein- und Ausbrüche an den Finanz-und Kapitalmärkten herhalten muss. Soviel kann bereits verraten werden, er ist es nicht alleine! Der dritte und letzte Teil über unsere Geld-Un-Ordnung folgt in Kürze. Zum Teil I zurück geht es hier.

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