Wenn das Gute so nah ist, dann sollte man es nicht verpassen. Gerade auch im „fortgeschrittenen“ Alter, die anhaltende Neugierde auf Neues vorausgesetzt. Da gibt es einen Verein, der sich unserer Muttersprache verschrieben hat – und den wir schon des öfteren im Blog/Netztagebuch erwähnt und zitiert haben. So in den #86/88/92/98/99 und 106. Der Verein Deutsche Sprache (VDS) wurde im November 1997 in Dortmund gegründet und hat weltweit rund 36.800 Mitglieder, davon etwas mehr als die Hälfte außerhalb unserer Landesgrenzen. Innerhalb bedient sich die Einteilung in Regionen der ersten beiden Ziffern der Postleitzahlen (in einigen Fällen auch der ersten drei). Für die Region 72 – Reutlingen, Tübingen, Albstadt – wurde das jährliche Mitgliedertreffen nun in dieser Woche auf Schloss Lichtenstein abgehalten. Nur 40 km Autofahrt durch eine landschaftlich reizvolle Gegend. Ein Abstecher zudem in die Romantik Wilhelm Hauffs und in den württembergischen Adel. Den konnte ich mir als Schwabe nicht entgehen lassen. Das Ganze zudem auf Fels gebaut.
Schloss Lichtenstein – auf Fels gebaut
Über Geschichte und Gegenwart des Schlosses kann man sich hier umfassend informieren. Dem Treffen vorgeschaltet die sehr empfehlenswerte, gut dreißigminütige Führung. Kenntnis- und geistreich dargeboten, aber auch mit klaren Vorgaben, was in den engeren Räumlichkeiten des Schlosses zu lassen und was zu tun ist. Unser Führer mit gut 1,90 m Körpergröße, von gleicher Statur wie der Erbauer und erste Schlossherr Wilhelm Graf von Württemberg, ließ keinen Zweifel daran aufkommen.
Anliegen des Vereins Deutsche Sprache
Über den VDS informiert man sich sehr gut hier auf der offiziellen Seite im Netz. Unter anderem kürt der Verein den „Sprachpantscher“ des Jahres, als bislang einzige wurde Ursula von der Leyen damit doppelt ausgezeichnet. Als Bundesverteidigungsministerin in 2014 und als Präsidentin der Europäischen Kommission in 2021 – wenn man so will, ist sie sich darin treu geblieben. Als weitere Frau Jil Sander, zugleich die erste Preisträgerin, wobei sie 1997 noch zum „Sprachschuster“ erhoben wurde. Zuletzt in 2022 ebenfalls eine Frau, Professorin Ulrike Lembke von der Humboldt-Universität zu Berlin, für ein „Gefälligkeitsgutachten“ zum Gendern. Sechs Institutionen – u.a. das ZDF, der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und der Duden – sowie 16 männliche Preisträger, darunter der Schwabe Günther Oettinger, komplettieren die Liste. Ging es zu Beginn noch um die Kritik am überzogenen Gebrauch von Anglizismen in/statt der deutschen Sprache, so steht gegenwärtig das Gendern im Vordergrund.
Der VDS ist überparteilich, lokal und regional verankert und dennoch weltweit vernetzt. Zudem vermittelt er Brieffreundschaften und pflegt einen Anglizismenindex, einschließlich pfiffiger Karikaturen. Mit dem Projekt „Gedichte aus Kinderhand“ wendet er sich an Grundschulen. „Schülerinnen“ und Schülern des vierten Jahrgangs wird ein unterhaltsamer Einstieg ins Dichten geboten. Und damit ihre Hemmschwelle zur Teilnahme an Wettbewerben mittels erster Erfolgserlebnisse gesenkt.
Teilnehmer auf dem Felsen unter anderen
Rigo Neumann, ein Württemberger mit in Düsseldorf genossener musikalischer Ausbildung, ist der Kulturbeauftragte in der Geschäftstelle des VDS in Kamen (in NRW am Schnittpunkt der A1/A2, dem Kamener Kreuz gelegen) und damit auch zuständig für das zuvor genannte Projekt. Weitere kluge Köpfe und streitbare Geister sind die Rottenburger Christian Hörburger und Albert Rieck sowie Heide Mende-Kurz aus Beuren, die mich mit ihrem Hinweis, warum die Presse nicht vertreten war, zu diesem Beitrag inspiriert hat. Neben Irene Hohn-Hökh aus Ammerbuch auch Dr. Andreas Dräger aus Tübingen – dessen Frau die informative Webseite „geistreichelei.de“ zum Gendern betreibt. Reinhard Freitag, Mitglied im VDS seit 2008 und seit rund fünf Jahren Leiter der Region 78, lehrte bis zu seinem Ruhestand als Studienrat an Wirtschaftsgymnasien in Freudenstadt und Pforzheim. Gesellschaftspolitisch tritt er unter anderem weiterhin als Kirchengemeinderat und eben für einen guten Sprachgebrauch ein.
Eine eindrückliche Begebenheit zum Schluss. Nach dem Verzehr von feinem, hausgemachtem dunklen Kuchen und einer Tasse Tee das offene Bekenntnis der Frau, die uns im Alten Forsthaus zuvorkommend bediente, zur deutschen Sprache und gegen das Gendern. Ganz zum Schluss las ich dann noch auf der Rückseite meines Parkscheins über eine württembergische Versicherungsagentur aus der näheren Umgebung „Ihr Fels in der Brandung“. Ganz klar, alles auf Fels gebaut.
Und hier geht es weiter zur nächsten Spitz-findig-keit.
#PreppoKompakt
Gestern habe ich mich übrigens angemeldet, um Mitglied im VDS zu werden.