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Gegen Sepsis ankämpfen durch gesunde Skepsis

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Im August 2021 haben wir das Thema Sepsis hier bereits beackert. Ein 16minütiger Beitrag im ZDF Frontal 21 über die lebensgefährliche Krankheit hatte den Anstoss dazu gegeben. Schon im März 2017 war zudem ein guter Schul- und Studienfreund aus Sigmaringen daran gestorben. Ein gänzlich unerwarteter Todesfall in Albstadt-Lautlingen dieser Tage wird ebenfalls auf eine Lungenentzündung mit Sepsis zurückgeführt. Dabei wären solche traurigen Schicksale vielfach vermeidbar. Gegen Sepsis ankämpfen durch gesunde Skepsis! Nicht nur eine Wortspielerei, sondern ein erneu(er)ter Warn-, Weck- und Aufruf.

erneuerter/aktualisierter Beitrag zur Sepsis

Sepsis – unterschätzt und lebensgefährlich

In Frontal 21 vom 17.8.2021 (leider nicht mehr verfügbar) wurde von 75.000 Menschen gesprochen, die in Deutschland jedes Jahr an Sepsis sterben, wobei das 20.000 erspart bleiben könnte. “Tausende Leben ließen sich … retten, wenn die Symptome früh genug erkannt und sofort behandelt würden. Doch genau daran mangelt es, und die Gefahr wird unterschätzt.” Wer es überlebt, dem fehlen – nach diversen Klinikaufenthalten und Operationen – Gliedmaßen, wie Unterschenkel, Füße und Fingerspitzen.

„RE: Unsichtbar und tödlich – Deutschland in der Sepsis-Krise“ ist eine ARTE-Doku vom 3.3.2020, die in der Mediathek ebenfalls nicht mehr vorgehalten wird. Hier ist der knapp 32 Minuten lange Beitrag noch zu sehen, absolut sehenswert. Die Problematik aufgezeigt an einer jungen Frau aus dem Kreis Borken in Nordrhein-Westfalen, die überlebt hat, versehen mit enorm viel Hintergrundwissen. Sie selbst, Familie, Freunde, Ärzte, Schwestern, ein Orthopäde kommen zu Wort. Das macht Mut, aber auch wütend, wenn vernünftige Vorschläge am notwendigen Geld scheitern.

Kein unausweichliches Schicksal – die medizinische Fakten

Unter vielen Quellen in Internet nutzen wir exemplarisch an dieser Stelle Informationen des Öffentlichen Gesundheitsportals Österreichs, das dazu folgende Ausführungen macht:

“Eine Sepsis ist eine schwere Infektion des Körpers, hervorgerufen durch Mikroorganismen, z.B. Bakterien, Pilzen, Viren. Sie entsteht dadurch, dass die Infektion nicht nur lokal begrenzt auftritt, sondern sich über das Blut im Körper ausbreitet. Infolge von Organfunktionsstörungen kann eine lebensbedrohliche Situation eintreten.

Eine Erkrankung bzw. ursprüngliche Infektion kann zu einer Sepsis führen – beispielsweise als Folge einer Hirnhautentzündung (Meningitis), einer Lungenentzündung, eines Harnwegsinfekts etc. Auch durch Verletzungen (z.B. Bisse), schlecht heilende Wunden, als Folge operativer Eingriffe, infolge der Einnahme immunsuppressiver (das Abwehrsystem schwächende) Medikamente und vielem mehr kann es zu einer Sepsis kommen. …

Im Zuge der schweren Infektionsverläufe bei einer Sepsis treten Organfunktionsstörungen auf. Davon betroffen sind ein oder mehrere Organe (z.B. Gehirn, Nieren). Als septischer Schock wird eine Sepsis bezeichnet, bei der es zu einer arteriellen Hypotonie (starker Erniedrigung bzw. Absinken des arteriellen Blutdrucks) kommt (trotz Flüssigkeitszufuhr in Form von Infusionen). … Um lebensbedrohliche Situationen und schwere Organschäden zu vermeiden, ist eine rasche Diagnose und Therapie entscheidend.”

Zu den einzelnen Symptomen siehe das nachfolgende Faktenblatt. Ganz entscheidend für einen Behandlungserfolg sind eine saubere Diagnose, sprich gründliche körperliche Untersuchung sowie die Bestimmung von verschiedenen Laborwerten und Blutkulturen – ohne Zeit zu verlieren. Jede Minute zählt!

Die Körperfunktionen müssen aufrechterhalten, die Infektion bekämpft und der Erreger beseitigt werden, damit die ursprüngliche Infektion vollständig abheilt. Die Therapie erfolgt im Krankenhaus, teils intensivmedizinisch. Bei einem septischen Schock und bei Organversagen ist die Intensivstation ein Muss.

Der Umgang mit Sepsis weltweit und bei uns

An Sepsis erkrankten laut Wikipedia in 2017 weltweit 49 Millionen Menschen, für 11 Millionen endete dies tödlich. Interessant – und nicht minder gewöhnungsbedürftig – ist der Umstand, dass die Krankenhaussterblichkeit bei schwerer Sepsis in Deutschland mit 42% weit höher liegt als beispielsweise in England (32%), den USA (23%) oder Australien (18%). Die Gründe sind wohl in einem bei uns stark ausgeprägten Wahrnehmungsproblem zu suchen. Denn weder Bevölkerung noch medizinisches Personal haben ein ausreichendes Wissen über die Frühsymptome. Seit Juni 2021 fördert deshalb das Bundesministerium für Gesundheit in Berlin unter “#DeutschlandErkenntSepsis” eine breit angelegte Aufklärungskampagne.

International wird schon seit 2012 jedes Jahr am 13. September der Welt Sepsis-Tag/World Sepsis Day begangen und mit einer Fülle an aussagekräftigen Materialen – wie den Sepsis FAKTEN – inzwischen in elf verschiedenen Sprachen Aufklärung betrieben. Jede und jeder Einzelne kann dagegen ankämpfen!

Einrichtungen und Initiativen von Deutschland ausgehend

Vorbildlich, dies zeigen auch die beiden eingangs erwähnten Fernseh-Beiträge, wird an der Uniklinik Greifswald mit dem Problem umgegangen. Auf dem Portal sepsisdialog.de stellt die Universitätsmedizin Greifswald dies zudem für ihre Patientinnen und Patienten anschaulich dar.

In Jena hat sich eine Art Kompetenzzentrum entwickelt. Dort hat die Deutsche Sepsis-Gesellschaft (DSG) ihren Sitz. Diese medizinische Fachgesellschaft zeichnet auch für eine App zur richtigen Behandlung verantwortlich – die Leila Leitlinien-App. Die DSG arbeitet eng mit der Sepsis Stiftung (und deren Außenstellen, beispielsweise an der Charité in Berlin), dem Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB) Sepsis und Sepsisfolgen am Universitätsklinikum Jena und der Deutschen Sepsis-Hilfe e.V. zusammen. Die Sepsis-Stiftung hält auf ihrer Internetseite interaktive Sepsis-Checklisten vor (auch eine speziell für Kinder), gibt auf wichtige Fragen fachlich fundierte Antworten und fordert übrigens schon seit 2018 vehement einen nationalen Sepsisplan (hier ist das entsprechende Memorandum herunterzuladen).

Prof. Dr. Konrad Reinhard – Jahrgang 1947, Anästhesist und Intensivmediziner – ist Vorstandsvorsitzender der Sepsis-Stiftung. Er hat sowohl die DSG, als auch die Global Sepsis Alliance (GSA) mit aus der Taufe gehoben, “… widely recognized as an international champion of sepsis.” Der Mitgründer und Gründungspräsident der GSA, die auch den Welt Sepsis-Tag ausrichtet, ist ein lebendes Beispiel dafür, dass es der Prophet im eigenen Land, sprich Deutschland – das Land Thüringen und die Stadt Greifswald ausgenommen, schwerer hat, um es diplomatisch auszudrücken.

Das letzte Opfer

Am 28. Januar 2024 verstarb der Ortsvorsteher von Albstadt-Lautlingen, Heiko Peter Melle, mit nur 55 Jahren. Der Trauergottesdienst in der übervollen Pfarrkirche St. Johannes Baptista sechs Tage später und das langgezogene letzte Geleit signalisierten die aufrichtige Anteilnahme für diesen im ehrenamtlichen Milieu außergewöhnlich aktiven Menschen. Eine profunde Kenntnis der Heimatgeschichte rund um das Stauffenberg-Schloss, als Bläser über vier Jahrzehnte aktiv in der Musikkapelle „Frohsinn Lautlingen“, Miterfinder der Narrenzunft Kübele-Hannes – zum Umzug siehe #150 -, eine hohe Affinität zur örtlichen katholischen Kirche und ihren Einrichtungen zeichneten ihn aus. Seine ausgeprägte Heimatliebe, die Freude am Bild, an der Schriftform, an der Verantwortung auf höherer Vereinsebene, vielleicht auch ein ausgeprägtes Geltungsbewußtsein waren Triebfedern. Jammerschade, nicht nur für seine Familienangehörigen, dass er ein Opfer dieser heimtückischen Krankheit wurde.

Trauergottesdinest für Heiko Peter Melle am 3.2.2024 in Albstadt-Lautlingen

Und hier geht es gewohnt spitzfindig weiter.

#PreppoKompakt

In der ausklingenden närrischen Zeit könnte man „Grazie mille Melle“ rufen und die ellenlange Menschenschlange, die ihn auf seinem letzten Weg begleitet hat, als „Melle miliga“ umschreiben. Humor muss sein, sagte mein Vater immer, und wenn es auf dem Totenbett ist.

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