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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!
Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Heute lassen wir uns dafür ein wenig von Zahlen inspirieren und von der Literatur vereinnahmen.
1. Spitz-findig-keit
Almuth Bartls „111 kleine, lustige Spiele für den Mathematikunterricht„* (Auer, Augsburg 2021) ist ein Büchlein nicht nur für die Grundschule. Sechs Beispiele, zur Hälfte sogenannte „Lach-Snacks“, mögen dies belegen:
– Lehrer: „Als Hausaufgabe rechnet ihr die letzten drei Aufgaben von Seite 109, dann die ganze Seite 110 und die ersten zwölf Aufgaben von Seite 111.“ Seufzt die kleine Sophie: „Oh je, mein armer Papa!“ (S. 16).
– Zauberzahl 1089. Mit Zahlen kann man zaubern … . Besonders leicht geht das bei diesem Spiel. Egal mit welchen Zahlen man es durchführt, das Ergebnis bleibt … stets 1089. Jeder Schüler soll sich zuerst eine beliebige dreistellige Zahl aufschreiben. Einzige Bedingung: Sie muss aus drei verschiedenen Zahlen ohne die Zahl 0 bestehen. Nun soll jeder … die Zahl von hinten nach vorne aufschreiben. Dann soll er die kleinere von der größeren abziehen. … Nun soll auch dieses Ergebnis rückwärts addiert werden … . Kaum zu glauben! Egal welche Ausgangszahl die Schüler gewählt haben, das Ergebnis ist 1089! (S. 22 – funktioniert immer, mit einer Ausnahme: wenn schon im ersten Schritt die Differenz 99 beträgt).
– Lehrer: „Wenn ich vier Eier auf das Pult lege, und du legst noch einmal drei Eier dazu – wie viele sind es dann?“ Schüler: „Tut mir leid, aber ich kann keine Eier legen.“ (S. 32).
– Zeitvertreib für Rechenkünstler. Rechenkünstlern wird es nie langweilig. Da kann man … berechnen, z.B. wie viele Tage (Stunden) man alt ist (Schalttage nicht vergessen!), wie viele Tage die einzelnen Familienmitglieder alt sind, bzw. Freunde und Verwandte. Übrigens ist es doch mindestens genauso wichtig, z.B. seinen 4000sten Tag auf Erden zu feiern, wie seinen nächsten Geburtstag! Solche ungewöhnlichen „Geburtstage“, die in nächster Zeit anstehen, schreibt man sich auf und gratuliert dann herzlich, z.B. der lieben Lehrerin zum 20 000sten Tag auf Erden. (S. 36).
– Geheimzahl. Es gibt eine Zahl, die als Wort geschrieben genauso viele Buchstaben hat wie ihr Wert. Welche Zahl ist das? (S. 40)
– Lehrer: „Jenny! Wie viel ist 8 plus 5?“ Jenny: „13“ Lehrer: „Gut! Wie bist Du darauf gekommen?“ Jenny: „Das war nicht schwer: Ich habe 7306 geteilt durch 562 gerechnet.“ (S. 49).
2. Spitz-findig-keit
Faz-net vom 22.11.2022 (hinter Schranke) mit einer flüssigen Dankesrede von Katerina Poladjan, die für ihren Roman „Zukunftsmusik“* (S. Fischer, Frankfurt am Main 2022) nicht nur einen besonderen, ja auch besonders dotierten Literaturpreis erhalten hat. Neben 111 Flaschen besten Rheingau Rieslings gehören dazu 11.111 Euro. Das Ganze fand an einem Sonntag im letzten September um 11 Uhr auf Burg Schwarzenstein statt.
„Welche wäre die angemessene Form, meinen Dank für den Rheingau-Literaturpreis mit seinen einhundertundelf Flaschen Wein auszudrücken? Wären es einhundertundelf Verse? Das ergäbe ein Gedicht, das Ihre Geduld gehörig auf die Probe stellen würde. Wären es einhundertundelf Sätze?
Eins: Danke für den Preis. Zwei: Danke für den Wein. Drei: Ich trinke gern Wein. Vier: Am Abend und am Tag. Fünf: Wenn ich am Tag Wein trinke, fühle ich mich frei und verwegen. Sechs: Beim Wein kommen einem die übelsten Fragen: Wie soll man leben, warum soll man leben, wo und mit wem? Acht, neun, zehn: Beim Wein kommen einem die übelsten Antworten. Beim Wein kommt man vom einen zum anderen. Beim Wein findet man Freunde und man verliert sie wieder.“
Und so weiter und so fort, dann zum Ende kommend:
„… dieser Preis ist mir auch Auftrag, durch seinen dionysischen Aspekt vielleicht ein Auftrag zur Leichtigkeit. Vielleicht ein Auftrag, den Humor nicht zu vergessen. So schwer es oft fällt. Und so will ich weiter Fransen zwirbeln und über Webfehler grübeln, will mich auf den Teppich setzen und eine Flasche besten Rheingauer Rieslings öffnen, dem Universum zuprosten und all jenen, die daran beteiligt waren, dass ich heute diesen ermutigenden Preis erhalte: der Jury, jenen, die den Preis gestiftet haben, und nicht zuletzt den Menschen, die mich in meiner Arbeit unterstützen.
Wo war ich? Ich wollte Sätze zählen. Ich kann nur raten und behaupten, dieser sei der Satz mit der Nummer 110. 111: Ich danke Ihnen sehr, dass ich hier sein darf.“
3. Spitz-findig-keit
Auf dem Teppich spielt sich auch im Buch „Das Liebespaar des Jahrhunderts“* von Julia Schoch (dtv, München 2023) einiges ab. Die Autorin, Jahrgang 1974 und damit drei Jahre jünger als die vorgenannte Preisträgerin, verarbeitet darin „autofiktional“ eine 31 Jahre andauernde Beziehungsgeschichte.
Der Anfang (S. 9): „Wir setzten uns zum Teetrinken auf den Boden. Das machten damals alle so, es war Mode. Wenn man auf eine Party kam, saßen alle auf dem Boden. Ich glaube, so ist es leichter, sich zu umarmen und gemeinsam auf den Teppich zu sinken. Wir haben es genauso gemacht. … Sogar den Tee haben wir ausgelassen.“
Und das Ende (S. 190f): Ein erfülltes Leben, mit zwei Kindern, ohne Trauschein, wie sich herausstellt, wobei unklar bleibt, ob es wirklich das Ende der Beziehung ist. Der Zweck des Buches: „Erst wenn es festgehalten ist, existieren wir, das heißt: alles. Die Liebe und deren Verwandlung, die Leidenschaft, Erstarrung und der Jubel, unsere Einsamkeit und unsere Zugewandtheit.“
Widmung
Meinem Sohn Marc gewidmet, der heute Geburtstag feiert – ein echtes Sonntagskind.
Und hier geht es eine Spitzfindigkeit weiter.
#PreppoKompakt
Noch anspruchsvoller wäre es gewesen, wenn Katerina Poladjan je Euro einen Buchstaben gewählt hätte. Die notwendige Zählerei hätte aber dann wohl doch zu sehr vom Inhalt der Dankesrede abgelenkt. Auch haben wir uns bei der Berechnung der Anzahl der Tage auf Erden – und noch viel detaillierter – einer kompetenten Zuarbeit aus Norwegen bedient. Man ist ja nicht nur Rechenkünstler.
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