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Spitz-findig-keit #115

5 minutes

Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitzfindigkeiten zuhauf!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute mache ich dafür aus meinem Herzen keine Mördergrube, sondern bekenne offen, wen ich – als frisch gebackenes Mitglied des Vereins Deutsche Sprache (VDS) besitze ich ein Wahlrecht – für den „Sprachpanscher“ des Jahres 2023 auserkoren habe.

1. Spitz-findig-keit

Die fünf Kandidaten für die Wahl, die Abstimmung läuft noch bis zum 18. August, sind: Bettina Stark-Watzinger, Bundesbildungsministerin; Julia Willie Hamburg, (grüne) Kultusministerin in Niedersachsen; McDonald´s Deutschland; Martin Eberle, Direktor der Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK); Kienbaum Consultants International GmbH.

Mein Favorit ist Kienbaum, ein lokal verwurzeltes – Hauptsitz zunächst Gummersbach, seit Dezember 2016 Köln – und international vernetztes Familienunternehmen. Auf deren Internetseite steht zu lesen: „Nachhaltige Unternehmensführung liegt seit über 75 Jahren in unserer DNA. Genau wie der stetige Wandel durch Fortschritt: Mit unserem ganzheitlichen Ansatz entfalten wir Ihr Potential und machen Sie und Ihre Organisation bereit für die Arbeitswelt der Zukunft.“

Der VDS-Kommentar merkt kritisch dazu an:

Der Hinweis auf den Podcast mit Thomas Schmidt – am 19.5.2023 auf der Kienbaum-Internetseite festgehalten -, zugegebenermaßen eine winzige Kleinigkeit, gab mir den Rest:

2. Spitz-findig-keit

Nur ein Gedanke zum Eurovision Song Contest (ESC) Finale in Liverpool vom 13. Mai 2023: für uns der letzte Platz, alles andere wäre eine herbe Enttäuschung gewesen. Seit der Premiere im Jahre 1956 sind wir 66 Mal aufgetreten – ein einziges Mal ausgesetzt 1996 – und haben mit Nicoles „Ein bisschen Frieden“ in 1982 und Lenas „Satellite“ in 2010 zwei erste Plätze belegt. Nun zum zehnten Mal (?) Letzter, stellen wir die Wertung einfach auf den Kopf: das hat noch keine/keiner geschafft. Weiter so!

3. Spitz-findig-keit

Auch die Lesefähigkeit/-kompetenz, das heißt flüssiges und sinnerfassendes Lesen, unserer Grundschüler nimmt kontinuierlich ab. Gemessen wird dies alle fünf Jahre an Viertklässlern, Mädchen wie Jungen, in sogenannten Iglu-Studien im internationalen Vergleich. Schon letztes Jahr hatte ZDF Panorama vom 15.3.2022 davon berichtet. Dies hat sich laut Die Welt vom 16.5.2023 nun bestätigt. Lesen als Kernkompetenz hat derzufolge Auswirkungen auf alle anderen Schulfächer. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger von der FDP findet es ebenfalls alarmierend, wenn jeder vierte Viertklässler im Land nicht mehr richtig lesen kann. Ach so, Bildungspolitik ist ja Ländersache. Ja, Frau Hamburg, auch Niedersachsen macht da keine Ausnahme.

Auch zu McDonald´s gibt es mit Oberbürgermeister Boris Palmer (inzwischen parteilos) in Tübingen eine aktuelle Schlagzeile. Die seit 2022 dort erhobene Steuer auf Einweggeschirr wurde aufgrund einer Klage von McDonald´s in der Erstinstanz vom Verwaltungsgericht Mannheim als nicht rechtmäßig eingestuft. Diesen Mittwoch hat nun, wie Tichys Einblick am 25.5.2023 berichtet, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden, dass Tübingen die Verpackungssteuer erheben darf. „Müllvermeidung habe oberste Priorität.“

Nun fehlt nur noch Prof. Martin Eberle: Der Direktor der „Museumslandschaft Hessen Kassel“ zeichnet verantwortlich für die Umfirmierung als „Heritage“, einem laut VDS unnötigen englischen Begriff, der vom schlampigen Umgang mit unserer Sprache zeuge. Nachdem wir kürzlich dem württembergischen König Wilhelm I gehuldigt haben, nun der Blick auf das Schloss Wilhelmshöhe der Kurfürsten und Landgrafen von Hessen-Kassel. Ein echtes Prunkstück aus dem reichhaltigen „Erbe“ – Hessen Kassel Heritage -, ja ein regelrechter Rausch an Formen und Farben, auf der dortigen Internetseite festgehalten.

Und hier geht es unvermittelt weiter.

#PreppoKompakt

Unsere Muttersprache ist schutzwürdig. Ohne sie sind wir Waisenkinder, ohne sie bleibt unsere Identität schwammig. Bildung ist fürs Individuum wichtig, zudem ein zentraler Wert für eine funktionierende Demokratie. Deshalb fordern wir zusammen mit der FDP-Ministerin dringend eine bildungspolitische Trendwende. Frohe Pfingsten – vielleicht ergießt sich der Heilige Geist auch einmal über unsere Regierenden in Berlin.

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