Spitz-findig-keit #157

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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitzfindigkeiten zuhauf!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute nutzen wir dafür eiskalt die Chance, die Einstellung Kants zum Gendern in Erfahrung zu bringen. Eine begehbare Brücke, die vom bekannten Verein Deutsche Sprache (VDS) geschlagen worden ist.

1. Spitz-findig-keit

Denn im Infobrief des VDS vom 10.3.2024 findet sich der Hinweis auf den 300. Geburtstag von Immanuel Kant, der am 22. April 1724 in Königsberg geboren wurde (und dort am 12. Februar 1804 auch verstorben ist). Fabian Payr, Buchautor und Initiator des Aufrufs „Linguistik vs. Gendern“, hat aus diesem Anlass den wirkmächtigen Philosophen gefragt, was er von der Gendersprache hält. Das fiktive Interview ist zur Gänze in der Berliner Zeitung vom 3.3.2024 (hinter Schranke) abgedruckt, wir geben einen Auszug wieder.

„Kant zeigt sich beeindruckend gut informiert, offenbar kennt er sogar Wissenschaftler, die der Gendersprache ihre Grenzen aufzeigen. Ob denn das Sprachgendern vernünftig sei, möchte Payr wissen. Kant meint, das Konzept einer ‚gendergerechten Sprache‘ und die dahinterstehenden Motive seien durchaus löblich anzusehen. Aber er bezweifelt die Zweckmäßigkeit neuer Sprachformen, um Geschlechtergerechtigkeit herzustellen. ‚Eine solche Wirkmacht hat Sprache nicht. Wörter sind keine Zauberformeln zur Schaffung von Wirklichkeit‘, so Kant. Mit ‚Betrübnis‘ nimmt er zur Kenntnis, dass die Ideale der Aufklärung, allem voran das Primat der Vernunft, in der Gegenwart in Ungnade gefallen sind. Die Menschen sollten ermutigt werden, ihren eigenen Verstand zu benutzen.“

2. Spitz-findig-keit

Im genannten Infobrief verweist Horst Haider Munske auf das „Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache“ (DWDS) der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, von Mitarbeitern der VDS-Geschäftsstelle bevorzugt benutzt. Da fänden PC-affine Benutzer fast alles, was Lexikografie zu bieten hat, zudem sogar Wort-Spiele.

„Die deutsche Sprache ist sehr reich, ungeheuer flexibel und an mancher Stelle durchaus mysteriös. In den vielen hundert Jahren ihrer Existenz hat sie so einiges erlebt und dabei die ein oder andere Eigenart entwickelt, sei es in Bezug auf Wortschatz, Grammatik oder Rechtschreibung. Mit unseren Quiz und Rätseln können Sie sich mit einigen dieser Eigenarten vertraut machen und dabei – warum nicht auch einmal spielerisch? – Ihre Kenntnisse der deutschen Sprache austesten.“

Gleich 11 verschiedene Wort-Spiele sind im Angebot mit nicht zu unterschätzendem Spaß- und Lernfaktor. Geeignet nicht nur für angehende Linguisten.

3. Spitz-findig-keit

Die NZZ vom 12.3.2024 wartet mit einer Kolumne von Claudia Wirz zu Anstand versus Maximierung des Eigennutzes auf. „Die absolute Freiheit des einen steht stets im potenziellen Konflikt mit der absoluten Freiheit des anderen. Solange Menschen zusammenkommen, sei es als Nachbarn, Klassenkameraden, Stimmbürger, Angestellte, Rentner, Konkurrenten, Wanderer, Velofahrer, Beitragszahler, Sozialhilfeempfänger oder Vertragspartner, braucht es Regeln. Und wo es Regeln gibt, wird die Freiheit eingehegt.“

Dabei sei dies nicht immer nur Aufgabe des Staates. „Vielmehr sind es bürgerliche Tugenden, die für das Zusammenleben in einer freiheitlichen und gleichsam solidarischen Gesellschaft zentral sind. Die wichtigste dieser liberalen Tugenden ist der Anstand. Er ist der Kitt, der die Elemente der Gesellschaft zusammenhält.“

Anstand – so Claudia Wirz – ist praktizierte Empathie und Rücksichtnahme und die Kardinaltugend der gutbürgerlichen Gesellschaft, aus der sich alle anderen „guten Sitten“ ableiten. „Eine freiheitliche Gesellschaft braucht aber zwingend nicht nur eine rechtliche, sondern auch und vor allem eine sittliche Verfassung. Und hierfür müssen allen voran Personen, die im Licht der Öffentlichkeit stehen, als Vor- und nicht als Gegenbild auftreten.“

Dazu Andreas Gerber – mit einem Leserkommentar von insgesamt 29, schön sarkastisch – „… und wieder landen wir beim guten alten Kant: sind wir durch die Sollensfreiheit gesteuert, welche auf einer in der Vernunft begründeten Selbstverpflichtung (und Selbstbescheidung) beruht? Oder sind wir doch nur Sklaven einer Wollensfreiheit, getrieben durch die Gier nach mehr und noch mehr. Und zuetzt liegen wir alle schön nebeneinander in derselben kühlen Erde.“

Und hier geht es zügig rätselnd weiter.

#PreppoKompakt

Immanuel Kant allgegenwärtig und hoch im Kurs? Leider nein, höchstens bei den Nach- und Selbst-Denkern. Das Primat der Vernunft ist verschütt gegangen. Dafür dann am 22. April wenigstens hoch die Tassen.

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