Spitz-findig-keit #211

5 minutes

Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitzfindigkeiten zuhauf!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute beginnen bei uns dafür (fast) alle Nachnamen mit B., wofür es keine Erklärung gibt. Bestenfalls die des Zufalls.

1. Spitz-findig-keit

Aus dem wohlbekannten „Buch der Tagebücher“ von Gottfried Benn (1886-1956) vor genau 75 Jahren in Berlin sein kursorischer Eintrag (S. 155, zur Person haben wir schon in der #124 berichtet):

„Es gibt keine Erklärungen. Die Kausalanalyse ist ein Floh auf einem Elefanten.“

Wie wir wissen, liess sich Benn bei seiner schriftstellerischen Tätigkeit von dem alten lateinischen Spruch „Nulla dies sine linea“ leiten. Linie, vom Maler auf den Dichter übertragen, auch als Zeile zu lesen. Also geht es darum, am Ende des Tages besser etwas kurz und weniger durchdacht, als gar nichts zu Papier gebracht zu haben.

Wieviel schwerer haben es da gegenwärtig unsere Politikerinnen und Politiker von CDU/CSU und SPD.

2. Spitz-findig-keit

Die Gefahr des Niedergangs malt ganz konkret der FAZ-Herausgeber Gerald Braunberger am 24.3.2025 im Newsletter an die Wand. Die bald 76 Jahre alte Bundesrepublik leide sehr viel stärker unter sklerotischen Erscheinungen als die junge Bundesrepublik Ludwig Erhards. Eine alternde Gesellschaft, die zu risikoscheuem Verhalten und Statussicherung neige, erschwere zusätzlich weitreichende Veränderungen.

Deutschland benötige „… dringend einen Politikentwurf, der eine umfassende Modernisierung vorantreibt. Und keine ermüdendenden Verhandlungen, in denen die Befriedigung von Interessengruppen im Vordergrund steht. Die deutsche Industrie schrumpft nicht erst seit kurzem, sondern seit dem Jahr 2019. Heute stellt sich das wirtschaftliche Umfeld jedoch sehr viel schwieriger dar als vor sechs Jahren. Es hat keinerlei Sinn, Geld auf die Infrastruktur und auf Klimaprojekte gießen zu wollen, wenn nicht gleichzeitig entschlossen dereguliert und entbürokratisiert wird. Wer eine langfristige Stabilität der Sozialsysteme anstrebt, muss das Wirtschaftswachstum fördern und auf zusätzliche soziale Ausgabenprogramme verzichten.“

Dabei verweist Braunberger auf den Klassiker des US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Mancur Olson „Aufstieg und Niedergang von Nationen“ aus dem Jahre 1982. Der Niedergang Deutschlands drohe, sei mehr als real, wenn die Politik sich nicht endlich den Herausforderungen gewachsen zeige.

3. Spitz-findig-keit

Johannes Bockenheimer, NZZ-Redakteur, freut sich im „Der andere Blick am Morgen“ am 25.3.2025 über das vom Architekten Mario Bellini 1984 für das Schweizer Unternehmen Vitra entworfene Sitzmobiliar im Deutschen Bundestag. Der blau bezogene Designklassiker, Modell Figura, steht für Kontinuität, wobei für die Volksvertreterinnen und -vertreter nur noch 630 Exemplare benötigt werden.

Um dann mahnend die Stimme zu erheben: „Die Koalitionsverhandlungen laufen erst seit Tagen, aber schon jetzt deutet sich an, dass weder Sparsamkeit noch Fortschrittsglauben … die künftige Regierung beseelen. Eine Steuerreform? Im Streit vertagt. Unternehmensentlastung? Zerpflückt. Die Migrationswende? Vorerst blockiert. Die krachend gescheiterte Energiewende? Soll einfach weiterlaufen. Eine Rentenreform? Ist nicht einmal angedacht. Fest steht hingegen, dass es für die Steuerzahler die teuerste Kanzlerschaft in der Geschichte des Landes wird.“

Widmung

Meinem guten Freund Reinhard B. gewidmet, der heute seinen 64. Geburtstag feiert. Demselben, dem ich in der Spitz-findig-keit #1 vor vier Jahren zu seinem 60sten gratulieren konnte. Übrigens reifer geworden, in Zitaten sattelfest wie eh und je, stringent in der Diskussion, naturwissenschaftlich noch bewanderter, ja im Wald ein richtiger Draufgänger. Er lebe hoch!

#PreppoKompakt

Heute Nacht haben wir wieder die Zeitumstellung mitmachen „dürfen“. Mit Beginn der Sommerzeit wurden in den meisten europäischen Ländern die Uhren von zwei auf drei Uhr vorgestellt. Wie oft noch, hatten wir schon in der #85 gefragt und gehofft, dass zumindest bis zur gegenwärtigen polnischen EU-Ratspräsidentschaft der gordische Knoten durchgeschlagen sein würde. Aber wie so oft, die Hoffnung stirbt zuletzt. Das gilt insbesondere auch für die beschriebenen Koalitionsverhandlungen. Wird es am Ende eine simple Schuko, wie die FDP aus dem Abseits einwirft, hoffentlich nicht! Geben wir Merz, Klingbeil und Co. einfach noch drei Wochen Zeit und schauen dann, welche Eier sie uns ins Osternest gelegt haben.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert