Spitz-findig-keit #217

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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute geht es dafür um die Personen, die unser Land aus der von der Ampel mitverschuldeten Malaise führen werden. In der #211 hatten wir den Koalitionsverhandlern Zeit eingeräumt, jetzt schauen wir uns das Personaltableau der neuen Bundesregierung mal etwas genauer an. Die Ostereier liegen im Korb, hoffentlich sind keine faulen darunter. Aber ein wenig paradox ist es schon.

1. Spitz-findig-keit

Die NZZ vom 5.5.2025 mit „Der andere Blick am Morgen“. Morton Freidel bezieht sich darin auf Karl Kraus (1874-1936), für den eine paradoxe Situation entsteht, wenn „… eine frühreife Erkenntnis mit dem Unsinn ihrer Zeit zusammenprallt.“

„Die Sozialdemokraten haben die schlimmste Niederlage seit fast 150 Jahren erlitten, sie wurden mehr als jede andere Partei abgestraft. Die frühreife Erkenntnis, dass die SPD die Wahl verloren hat, ist wenig später mit dem Irrwitz der Gegenwart zusammengeprallt: Die Partei wird Deutschland künftig mitregieren. Sie stellt sogar genauso viele Minister wie die CDU.“

Faz-net Liveticker am 5.5.2025 gibt die Einschätzung des Parteivorstandes zur 7er-Riege der SPD zum Besten. „Die SPD geht mit einem neuen Regierungsteam in die schwarz-rote Koalition. Erfahrene Persönlichkeiten aus Bundes- und Landespolitik treffen auf neue Gesichter, die für den Generationswechsel in der SPD stehen.“

2. Spitz-findig-keit

In der NZZ vom 5.5.2025 (hinter Schranke) wird die Mannschaft im Schaubild vorgestellt und darauf hingewiesen, dass gleichen Tags auch die Unterzeichnung des Koalitionsvertrages „Verantwortung für Deutschland“ erfolgte. Damit stand der Wahl des Bundeskanzlers letzten Dienstag formal nichts mehr entgegen. So dachte Mann/Frau. Dass dann doch mit dem notwendig gewordenen zweiten Wahlgang ein retardierendes Moment ins Spiel kam, war wohl der Laune, einer Taktik oder dem Spieltrieb von ein paar nicht auszumachenden Volksvertretern zu „verdanken“.

Laut Wikipedia beschreibt dieses Moment „… eine Szene im Handlungsverlauf eines Dramas, die nach dem Höhe- und Wendepunkt das Ende der dramatischen Handlung hinauszögert, indem sie kurzzeitig einen anderen Ausgang als erwartet möglich oder wahrscheinlich macht. Dadurch steigt die Spannung vor dem unweigerlichen Ende erneut an. In der Tragödie bezeichnet das retardierende Moment ein Ereignis, welches dazu führt, dass man die trügerische Hoffnung auf die Rettung des Helden erhält.“

Aber halt, es war ja keine Tragödie, eher eine Komödie mit spannungsgeladenem Ablauf.

Faz-net hat bereits am 28.4.2025 die Köpfe der Union – CDU (8) und CSU (3) – vorgestellt. Zusammengenommen verfügen die acht Frauen und zehn Männer nur in fünf Fällen über praktische Regierungserfahrung: Pistorius, das Relikt aus der Ampel, drei – Bär, Dobrindt und Reiche – aus Merkel-Kabinetten und schließlich Prien als Landesbildungsministerin. Drei – Frei, Schnieder und Rainer – waren schon als Bürgermeister in der Kommunalpolitik aktiv. Der Altersdurchschnitt im Kabinett beträgt 53 Jahre, wobei die Männer auf 57 und die Frauen auf 48 Jahre kommen. Alles in allem auf den ersten Blick eine starke Truppe, der der versprochene Politikwechsel zuzutrauen ist. Damit es nicht am Ende der Legislatur, wenn bilanziert wird, für alle oder einzelne heißt – so wie bei Dorothee Bär über ihre Zeit als Staatsministerin und Beauftragte für Digitalisierung – „… ein wenig glücklos …“. Zumindest die Kanzlerwahl ging ja glücklich aus, also doch ein halbwegs gelungener Auftakt.

Machtdreieck

Faz-net vom 4.5.2025 (hinter Schranke) weist per Kommentar zurecht auf das entstandene „Machtdreieck“ Merz, Linnemann, Spahn hin. Im Kabinett kann Merz von Weggefährten, wie Thorsten Frei, aber auch den Quer- und Semiquereinsteigern aus der Wirtschaft, „… die sich ohne größere Berliner Ambitionen als Teil des Merz-Projekts begreifen dürften“, fest mit loyalem Verhalten rechnen.

Und mit Carsten Linnemann steuert die CDU ein selbstbewußter „… Mann, der einigen [besser: großen – JG] Anteil an Merz’ Wiederaufstieg hat.“ Der Generalsekretär hat seine Position durch den Verzicht auf ein Ministeramt noch gestärkt und könnte noch so gewichtig wie seine Vorgänger Kurt Biedenkopf oder Heiner Geißler werden.

Und mit Jens Spahn hat Merz überraschend „… den politisch stärksten Mann in seinen Reihen zum künftigen Fraktionschef erkoren. Auch wenn Spahn von vielen Unionsabgeordneten misstrauisch beäugt wird, verfügt er über die Möglichkeit, die Fraktion straff zu führen und dem Kanzler wertvolle Unterstützung zu leisten.“ Das denkt und schreibt Jochen Buchsteiner.

3. Spitz-findig-keit

Ganz besonders freut mich, dass Thorsten Frei – wir kennen ihn schon aus der #202 – neuer ChefBK geworden ist. Seit Gründung der Bundesrepublik insgesamt der 23. und der 14., den die CDU stellt. Wolfgang Schäuble, unter dem ich im Bundeskanzleramt – damals noch in Bonn – rund zwei Jahre lang arbeiten durfte, war der 13. insgesamt, bzw. der siebte ChefBK von der CDU.

Vor kurzem fiel mir übrigens auf, dass Thorsten Frei und ich am gleichen Tag geboren sind, er allerdings ganze 21 Jahre nach mir. Passgenauer hat es da mein Freund und Kollege aus der Zeit im BK, Roland Tichy, getroffen, der am selben Tag – 11.11.1955 – wie der neue Bundeskanzler Friedrich Merz zur Welt gekommen ist (siehe hierzu auch meinen Besinnungsaufruf vom 11.11.2022).

#PreppoKompakt

Abschließend noch ein ernstes Wort zum Versprechen, die Teillegalisierung von Cannabis wieder rückgäng zu machen (wie in der #212 thematisiert): Liebe neue Chefs im BK, früher hieß es „aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, ich gehe davon aus, dass dies auch heute noch gilt! Nehmen wir den Amtseid als eine Art Indikator: Bei der Vereidigung am Dienstagabend endeten 14 Personen mit der Formel „So wahr mir Gott helfe“, vorneweg Friedrich Merz, vier SPDler unterließen es. Bei der Ampel-Einführung im Dezember 2021 waren es neun gewesen, acht, darunter auch Bundeskanzler Scholz, hielten es hingegen nicht für notwendig, den lieben Gott mit ins Boot zu holen (wie in der #38 festgehalten).

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