Spitz-findig-keit #239

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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitzfindigkeiten zuhauf!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute können wir uns dafür selbst den Spiegel vorhalten, uns schwarzärgern – was wir bleiben lassen, denn wir ziehen, wie hier und hier festgehalten, stoische Gelassenheit vor – und uns zudem über eine allfällige Korrektur freuen, sofern sie überhaupt kommt.

1. Spitz-findig-keit

„Wer wissen will, wie die Bürger ticken, schaut heutzutage, was sie im Internet kommentieren. Dort vermuten wir die Stimme des Volkes. Aber wie normal sind die Bürger, die sich besonders viel zu politischen Fragen äußern? Eine psychologische Studie zeigt: nicht besonders. Psychopathen und Narzissten sind überrepräsentiert. Genauso wie Menschen mit geringeren kognitiven Fähigkeiten.“ Der gewagte, jedoch wie die Studie belegt, wohl zutreffende Kommentar von Johanna Kuroczik ist auf faz-net vom 6.10.2025 zu lesen (hinter Schranke).

„Forscher aus Singapur haben 6100 Menschen aus den USA und verschiedenen Ländern Asiens gefragt, welche Charaktereigenschaften sie haben, wie aktiv sie im Netz sind, ob sie zu politischen Themen in sozialen Netzwerken posten, sich an ‚Onlinedemonstrationen‘ beteiligen oder in politischen Chats schreiben. Um Psychopathen zu erkennen, wurden sie gefragt, ob sie Aussagen wie ‚Ich spüre keine Reue‘ oder ‚Ich kümmere mich nicht um Moral‘ zustimmen. Narzissmus wurde mit Sätzen wie ‚Ich will, dass andere mich bewundern‘ und ‚Ich strebe nach Status und Prestige‘ erkannt. Narzissten haben ein übersteigertes Selbstwertgefühl und suchen nach Bestätigung. Psychopathen spüren wenig Empathie, werden schnell aggressiv und sind unsozial. Beide Gruppen sind besonders impulsiv. Das prädestiniert sie dafür, sich an hitzigen Diskussionen zu beteiligen.“

Jetzt kommt es noch dicker: Laut der Studie seien „… Menschen mit geringeren kognitiven Fähigkeiten im Internet am lautesten … „. Um dies zu unterstreichen/-malen wird sogar Shakespeare mit dem Spruch „Das leere Gefäß macht den größten Lärm“ bemüht. Wohl zum Trost schreibt Johanna Kuroczik, jeder Mensch habe narzisstische Anteile, jeder zwanzigste zudem psychopathische Züge. Aber was, wenn es auch noch an kognitiven Fähigkeiten mangelt? Nicht nur im Internet, gerade auch im richtigen Leben.

2. Spitz-findig-keit

Die nunmehr 53. Ausgabe des Schwarzbuchs des Bundes der Steuerzahler Deutschland e.V. (BdSt) beschreibt die öffentliche Verschwendung 2025/26 anhand von 100 konkreten Fällen, inklusive sieben Erfolgen (hier hatten wir zuletzt auf das 52. Schwarzbuch verwiesen). Videos, Fotos und Updates gibt es auf www.schwarzbuch.de zu sehen.

Als Schwabe ist festzustellen, dass Baden-Württemberg mit 10 Fällen vertreten ist, die Hansestadt Hamburg, wo mein Bruder lebt, allein mit acht. Der wohl größte Flop bleibt dem Bund und dem Land Schleswig-Holstein vorbehalten, wo mit der Pleite des schwedischen Batterieherstellers Northvolt rund 620 Millionen Euro in den Sand gesetzt wurden. Das fröhliche Bild vom Baubeginn der Batteriefabrik mit – unter anderen – Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Ministerpräsident Daniel Günther, „verschleiert“ – vermutlich unbeabsichtigt – durch das rote Rechteck die Charakterköpfe. Wobei die Personalien der Verantwortlichen ja bekannt sind.

3. Spitz-findig-keit

„In der EU ist man sich einig, dass es zu viel Regulierung gibt. Trotzdem will das Parlament, dass Fleischersatzprodukte nicht mehr Wurst oder Schnitzel heissen dürfen.“ So der Wirtschaftskorrespondent Daniel Imwinkelried in der NZZ vom 10.10.2025 (hinter Schranke). Denn das EU-Parlament hat in dieser Woche beschlossen, „… dass Begriffe wie Nuggets, Schnitzel oder Wurst rein tierischen Produkten vorbehalten sein sollen.“ In Zeiten des allseits geforderten Bürokratieabbaus in der Sichtweise mancher eine weitere unnötige Verordnung. Aber auch Klarheit und Wahrheit sind wichtig. Ich persönlich finde es richtig, dass Hafergetränke nicht mehr als Hafermilch bezeichnet werden, weil Milch dem Melken von Säugetieren vorbehalten ist. Natürlich darf weiterhin von Muttermilch gesprochen werden.

Zu allem eine wunderbare Anmerkung des Lesers Stefan Strohm: „Warum schmeckt die ‚Nr.1 Delikatesse Brühe‘ auf einmal langweilig? Ich lese die Aufschrift auf der Dose: ‚Vegan‘, das ist kleiner gedruckt als ‚Natürliche Zugaben‘. Warum schmeckt die Mayonnaise plötzlich fade? Ach ja, das Kleingedruckte habe ich beim Kauf übersehen: ‚Vegan‘. Aber der Bürokratieausbau ermöglicht es, daß ein amtlicher Stempel aus einem Mann eine Frau macht, aus einer Frau einen Mann. Die vegane Ideologie macht aus Gemüsebrei eine Wurst und aus Krautgekröse ein Schnitzel. Darf der Acker für die natürlichen Beigaben gedüngt werden? Jeder kann zwischen Täuschung und bildhafter Sprache unterscheiden. Pferdeäpfel wird er nicht beim Obst- und Gemüsehändler suchen und Ehrlichkeit immer weniger in der offiziellen Sprache.“

#PreppoKompakt

Nach Daniel Imwinkelried, der für die NZZ aus Brüssel berichtet, evozieren Wörter je nach Rezipient unterschiedliche Bilder. So geht es mir auch mit seiner besonderen Wortwahl, wenn ihm zufolge die Parlamentarier frisch-fröhlich weiter legiferieren, statt bei der Gesetzgebung Maß zu halten. Oder der besagte Entscheid schräg in der Landschaft steht. Zuguterletzt bekommt auch die Arbeit gewisser Christdemokraten – gemeint ist niemand anderes als Bundeskanzler Friedrich Merz – ihr Fett weg. Es sei ein Trauerspiel, ja der Kampf für das Schnitzel gar eine Verzweiflungstat, um sich als Schützer der Bauern und ländlicher Regionen zu gerieren. Ähnlich argumentiert übrigens sein Journalistenkollege Ole Kaiser auf faz-net am Freitag (hinter Schranke), für den das Fleisch im Schnitzel lediglich ein Platzhalter, ein Statist neben der Hauptrolle, dem Frittierfett ist. „Das wiederum ist das Weihwasser der Küche. Was hineingetaucht wird, tritt geläutert hinaus – es hat gesündigt, die Kalorien bekennen es frank und frei, doch es schmeckt danach besser. Ein Schnitzel ohne Öl? Das ist ein Sakrament ohne Gemeinde.“ Spaß muss sein – und wenn es auf dem Totenbett ist, wie mein Vater zu sagen pflegte.

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