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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!
Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Heute lassen wir uns lieber von drei Zahlen leiten: 40 – 50 und 70. Wenn man so will Zahlen- und Sprachspiele mit geschichtlichem Bezug.
1. Spitz-findig-keit
Christi Himmelfahrt – von unten nach oben – am 40. Tag nach Ostern.
Im christlichen Glauben ist es die Rückkehr Jesu Christi als Sohn Gottes zu seinem Vater in den Himmel. Wird 39 Tage nach dem Ostersonntag gefeiert, deshalb fällt das Fest immer auf einen Donnerstag. Siehe Wikipedia auch zu den Ursprüngen.
2. Spitz-findig-keit
Pfingsten – von oben nach unten – am 50. Tag nach Ostern.
Prof. Munske beginnt im Infobrief des Vereins Deutsche Sprache (VDS) vom 29.5.2022 mit der Apostelgeschichte 2, 1-41 zur ‚Ausgießung des Heiligen Geistes‘: „Als der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren alle zusammen am selben Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“
Und als Sprachwissenschaftler fügt er hinzu: „Pfingsten, mittelhochdeutsch noch ein Dativ Plural ze pfingesten, althochdeutsch (fona) fimfchustim hat einen Vorgänger in gotisch paintekustē, eine Entlehnung von griechisch paintē kostē (hemera)‚ der 50. (Tag) nach Ostern. Die Zahl 50 geht zurück auf den jüdischen Brauch, sieben Wochen nach dem Passahfest das Erntedankfest Schawuat zu feiern.“
Laut Apostel Petrus ist in dieses Fest der Geist Jesu hineingefahren/geplatzt. Dreitausend bekannten sich zu ihm und ließen sich taufen. Damit war die Gründung der Christlichen Kirche vollzogen.
(Horst Haider Munske ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V.)
3. Spitz-findig-keit
Manns Rückkehr nach Europa – über den großen Teich – nach 14 Jahren in den USA.
Thomas Manns Tagebucheintrag vor haargenau 70 Jahren in Pacific Palisades: „Sehr dunkler Morgen. Pünklich 1/2 8 Uhr auf und nach dem Kaffee gebadet. Hierbei, wie immer, schon das Pensum überdacht … Hilde Kahn über den Nachmittag und Abend. Ließ sie in 3 Packeten die Tagebücher von 1933 bis 51 verpacken und verkleben, die auf die Bank kommen sollen. Werde sie mit dem von Erikas Freundinnen geschenkten Lack und Petschaft versiegeln und darauf schreiben: ‚Daily notes from 33-51. Without literary value, but not to be opened by anybody before 20 years after my death.'“
Quelle: „Buch der Tagebücher“, S. 269, zuletzt hier herangezogen.
Am San Remo Drive in Pacific Palisades, Los Angeles/Kalifornien, lebte der Literaturnobelpreisträger zusammen mit seiner Familie während des Exils von 1942 bis 1952, dem Jahr des Tagebucheintrags. Das vom Architekten Julius Ralph Davidson entworfene Haus am San Remo Drive Nummer 1550 ist in den Jahren 1941/42 erbaut worden. 2016 kaufte es die deutsche Bundesregierung, seit Juni 2018 fungiert das „Thomas Mann House“ als transatlantische Begegnungsstätte.
Und hier – beseelt vom guten Geist – geht es gleich weiter.
#PreppoKompakt
Viel Bewegung: von unten nach oben, von oben nach unten und horizontal. Auf jeden Fall wünschen wir allen ein frohes Pfingstfest mit einem guten Geist.