Spitz-findig-keit #64

8 minutes

Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitz-findig-keit #64

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute – vom heiligen Geist beseelt und zu einer weiteren sonntäglichen Spitzfindigkeit hingetragen – dreht es sich um zwei Gotteshäuser in Köln und Burgfelden und um dort entstandene Werke.

1. Spitz-findig-keit

Vor rund einem halben Jahrhundert: Nobelpreis für den Kölner Heinrich Böll. Wikipedia hält zu seinem Lebenswerk fest: „Der 1971 erschienene Roman Gruppenbild mit Dame ist nicht nur Bölls umfangreichster, sondern nach Meinung vieler Kritiker auch sein bedeutendster Roman. Nach Bölls eigenen Worten war er eine ‚Zusammenfassung und Weiterentwicklung‘ seiner früheren Arbeiten. Er ergreift in diesem Werk Partei für die ‚Abfälligen‘ (den ‚Abfall‘) der Gesellschaft, für Außenseiter und Leistungsverweigerer. Der Roman wurde zum Bestseller und trug maßgeblich zur Verleihung des Nobelpreises für Literatur an Böll im Dezember 1972 bei.“

2. Spitz-findig-keit

Ganz anders als beim „Gruppenbild mit Dame“ das „Gruppenbild mit Herrn“. Aufgenommen in Albstadt-Burgfelden am 31. Mai spätnachmittags – für die Gastgeberin ein Tag der Arbeit, aber auch der Freude. Es bildet eine frohgelaunte, tolle Geburtstagsfeier ab, mit lauter netten, arbeitsamen Menschen – wir sind ja im Schwabenland. Das Geburtstagskind wird, wie auch das Alter der Dame, nicht ver-, darf aber zum Zeitvertreib gerne erraten werden. Kleiner Tipp: das Foto ist ein von besagter Dame eingestelltes Selfie, das heißt sie hatte nur 10 Sekunden Zeit, um nach dem Auslösen mit aufs Bild zu kommen.

Gruppenbild mit Herrn

3. Spitz-findig-keit

Was den Kölnern ihr Dom (nicht allen? – siehe Eilmeldung), ist – wir bleiben im Ort – den Burgfeldern, Frauen wie Männern, die romanische Michaelskirche mit ihren mittelalterlichen Fresken. Diese stammen wahrscheinlich aus dem späten 11. Jahrhundert und ähneln sehr denen auf der Insel Reichenau.

Michaelskirche

„Das beherrschende Thema des Freskenzyklus von Burgfelden ist das Weltgericht auf der Stirnseite der Kirche; in der Mitte der Darstellung thront Christus als Weltenrichter, links von ihm werden die Guten von Engeln in den Himmel geleitet; rechts treibt eine Schar von Teufeln die Bösen in die Hölle. Auf der linken Seitenwand sieht man die Geschichte von dem Barmherzigen Samariter, auf der rechten Seitenwand haben wir die Erzählung vom armen Lazarus und dem reichen Prasser. Die Fresken wurden 1892 entdeckt, als man die Michaelskirche abreißen wollte, weil sie die Gottesdienstbesucher der im 19. Jahrhundert stark gewachsenen Gemeinde nicht mehr fassen konnte (1820: 167 Einwohner, 1871: 236 Einwohner).“

So die Beschreibung auf der Albstadt-Seite. Und auch: „Mit rund 330 Einwohnern ist Burgfelden der kleinste Teilort Albstadts und mit 912 Metern über dem Meeresspiegel auch der am höchsten gelegene.“

Michaelskirche in Albstadt-Burgfelden

Eine Abrißgefahr besteht nicht mehr, auch dass die Michaelskirche unter Wasser gerät ist eher unwahrscheinlich. Schließlich fließt die Donau viel weiter südlich und die 912 Meter geben schon eine gewisse Sicherheit.

Kölner Dom

Anders sieht das im direkten Vergleich in Köln am Rhein aus, wo im April 2020 auf die Frage, auf welcher Höhe der Dom liegt – auch hier durfte geraten werden – folgendes Ergebnis herausgekommen ist:

Die Höhe der Türme des Doms hinzugerechnet – 157,22 m der Süd- und 157,18 m der Nordturm, diese und weitere Zahlen sind hier zu finden – ergibt allerdings auch für Köln, 13,8 Meter rum wie num, ein respektables Maß.

Mit oder ohne Türme

Kritisch äußerte sich laut Wikipedia übrigens – im nachhinein, denn der Dom wurde 1880 fertiggestellt – Heinrich Böll zur Vollendung. In einem Essay aus 1966 wertet er die Türme als „geschichtlichen Irrtum“, und beschreibt den Dom selbst ohne sie als viel schöner; „… ein solches Bauwerk baut man doch nicht fertig. Der romantische Traum von der geeinten Nation und der Wacht am Rhein musste diese peinliche Perfektgotik nicht nur planen, auch noch vollbringen; ordentlich, fix und fertig, wo der Rhein doch der Fluss der Romantik ist und Köln eine Stadt der romanischen Kirchen.“

Auf lange Sicht handelt es sich wohl um einen „Böllschen Irrtum“. Denn ganz einfach, wenn der Klimawandel fortschreitet, dann schauen wenigstens noch die Türme aus dem Wasser heraus.

Auf dem Wiki-Bildungsserver ist das mit dem Meeresspiegelanstieg unter Bezugnahme auf den Spiegeltitel von 1986 – der Kölner Dom ist bis zu einem Drittel seiner Höhe im Meer versunken – einfachst beschrieben. Dies könne geschehen, wenn der Meeresspiegel sich um über 60 Meter erhöhen würde. Wenn alles Eis abschmilzt, auch die Eisschilde um den Nord- und Südpol herum, würde er um fast 70 Meter ansteigen.

Die gute Nachricht dort: „Allerdings wird das sehr langsam gehen und Jahrhunderte und Jahrtausende dauern.“

Dass sich nicht nur ein Nobelpreisträger, sondern auch die eine oder andere Politikerin irren kann, haben wir hier – siehe unter ‚Absichtliche Panikmache‘ und ‚Apokalyptisches Gedröhne‘ – schon einmal festgehalten.

Eilmeldung zu „Mer losse d’r Dom en Kölle“

Im gestrigen Infobrief des Vereins Deutsche Sprache (VDS) ist zu lesen: „So sangen einst die Bläck Fööss. Doch nun soll der Kölner Dom aus dem Logo der Stadtverwaltung verschwinden. Eine Markenanalyse habe ergeben, dass das bisherige Verwaltungssignet als nicht mehr zeitgemäß beurteilt werde, heißt es. Viele Kölner sind empört, auch der Kölner VDS-Regionalleiter Ralph Aurand. Er hat nun eine Petition an die Oberbürgermeisterin der Stadt Köln gestartet – auch Nichtkölner dürfen sich beteiligen.“ Zur Petition geht es hier, die Welt hatte schon am 4.4.2022 über das fragwürdige Vorhaben berichtet.

Eine Spitz-findig-keit erster Güte, wenn auch eine falsche. Sitzt die Kölner Stadtverwaltung etwa dem Böllschen Irrtum auf? Zur Strafe sollte sie sich einmal mit der in der Vorbemerkung erwähnten Quelle von Immanuel Kant beschäftigen.

Widmung

Michael R. gewidmet, einem verläßlichen Leistungsträger in Diensten der Stadt Albstadt. Insbesondere in den Zeiten des Corona bedingten „Home Office“ konnte er unmittelbar neben der Michaelskirche bodenständig seiner Arbeit nachgehen. Heute feiert er seinen 44. Geburtstag – und wir gratulieren ganz herzlich.

Und hier geht es weiter mit einer vernünftigen Fragestellung.

#PreppoKompakt

Irren ist menschlich – in Latein „Errare humanum est“ -, sagte der Hahn/Igel und stieg von der Ente/Bürste – letzteres eine echte Spitz-findig-keit. Vollständig lautet der Ausspruch wie folgt: „Errare humanum est, sed in errare perseverare diabolicum“, übersetzt: „Irren ist menschlich, aber auf Irrtümern zu bestehen ist teuflisch“.

Eine Antwort

  1. Wer stellt sie sich nicht
    diese eine Frage,
    nach dem Sinn und Unsinn des Lebens….

    Ich zitiere Wilhelm von Humboldt:
    „Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, welche dem Leben seinen Sinn geben.“

    Er hat recht
    die Verbindungen mit Menschen,

    (er neigt aber ein wenig zur Übertreibung,
    „alle Menschen“ dann doch nicht)

    schenken einem ein fucking gutes Gefühl
    wenn man bereit ist es zuzulassen und anzunehmen,
    obwohl man sich selbst gar nicht so mag.

    Beseelt seit dem 31.05.2022!
    ich hoffe es wirkt noch lange nach
    dieses warme, weiche, flauschige
    zart rosa farbene Gefühl in meinem Herzen, dass man(n) mir schenkte.

    You made my day!

    Widmung an meinen Seelenmenschen R.B.:

    Hey Du,
    ich warte, seit Monaten!
    geduldig, ohne Groll,
    keinerlei Vorwürfe,
    null Fragen und
    nicht nachtragend.

    Ich warte einfach nur,
    auf das Ende Deines Schweigens,
    auf die Fortsetzung unserer besonderen Freundschaft.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert