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Spitz-findig-keit #84

8 minutes

Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitz-findig-keit #84

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute haben wir es stattdessen mit einem Spitz-weg und vier Spitzen-politikern zu tun. Nicht zu vergessen mittendrin der französische Philosoph, der jemanden kannte, der an seinen Schuhen hing.

1. Spitz-findig-keit

Spitz-weg: Für den Deutschen Buchpreis „ge-short-listetes“ Buch von Eckhart Nickel – natürlich ohne Trennstrich -, das sich an einen der beliebtesten Maler der Deutschen, Carl Spitzweg, angelehnt hat. Fünf weitere Bücher standen neben „Spitzweg“ auf der sogenannten Shortlist, nachdem die siebenköpfige Jury insgesamt 233 Titel gesichtet und sich von zehn – der Longlist – auf diese überschaubare Anzahl vorgearbeitet hatte. Fatma Aydemir („Dschinns“), Kristine Bilkau („Nebenan“), Daniela Dröscher („Lügen über meine Mutter“), Jan Faktor („Trottel“), Kim de l’Horizon („Blutbuch“).

Blutbuch mit Rasur

Letzterer/letztere/letzteres hat nun das Rennen gemacht, begleitet von guten Bewertungen im Feuilleton von FAZ und NZZ (17. bzw. 18.10.2022) sowie kräftigem Beifall im Stehen (Standing Ovation) bei der Preisvergabezeremonie im Kaisersaal des Frankfurter Römers. Mit dem mit 25.000 Euro dotierten Preis wird der beste deutschsprachige Roman des Jahres ausgezeichnet.

„Kim de l’Horizon wurde in der Schweiz geboren und sieht sich weder eindeutig als Mann noch als Frau.“ Dieses Thema – nonbinäre Person/nichtbinärer Erzähler – präge sein bei DuMont in München erschienenes Erstlingswerk „Blutbuch„*. So in den Kurzmeldungen der NZZ beschrieben.

„Nach den Dankesworten fielen die Haare von Kim d l’Horizon, die/der zwar keine Rede vorbereitet, aber einen Rasierapparat in den Römer mitgenommen hatte, mit dem dann vor dem erst sprachlosen, dann teilweise jubelnden Publikum der Gewinnerschädel blankrasiert wurde.“ So Andreas Platthaus in der FAZ ganz geplättet.

Weitaus nüchterner, dem Buch gegenüber kritischer, beschreibt das alles Cora Stephan auf der Achse des Guten am 20.10.2022. Aber: „Die Jury habe mit ihrer Entscheidung ebenfalls ein Zeichen setzen wollen. Ein Zeichen gegen den Hass und für die Liebe – und für den ‚Kampf aller Menschen, die wegen ihres Körpers unterdrückt werden‘. Kurz: Solidarität mit den Frauen im Iran! Das muss man anerkennen: Da wird nicht, wie bei anderen Promis, ein Strähnchen hier und ein Strähnchen da abgeschnippelt, da müssen alle Locken dran glauben. Das ist wahre Radikalität beim Zeichensetzen.“

Spitzweg ungeschoren

Aus einer Besprechung im Deutschlandfunk am 4.5.2022. Kurz nachdem das Buch „Spitzweg“ im Piper Verlag, München* (256 Seiten für 22 Euro) erschienen war:

„In Nickels ‚Spitzweg‘ … muss keine Anspielung dechiffriert werden, nicht einmal ein Bild des Münchner Malers brauchen wir, um dieser Geschichte zu folgen. Man kann in die verschiedenen Ebenen eintauchen, ist dazu aber an keiner Stelle gezwungen, was nach der Lektüre zum zweiten, sich ebenfalls aufdrängenden Gedanken führt. Wer sich eingangs wünschte, alles gelesen, gesehen, gehört zu haben, der mag sich nun schwärmend vorstellen, wie es wäre, nur dieses eine Buch zu kennen, kein weiteres, keinen Film, kein Bild, keine Komposition. Dann läge die Geschichte in ihrer reinen Schönheit vor einem, mehr Spiegel, denn Fenster, möglicherweise erscheint es auch als ein unendlich großes, leeres Regal.“

2. Spitz-findig-keit

Heute genau vor 93 Jahren schrieb Andre Gidé (1869 – 1951) in Paris in sein Tagebuch (im „Buch der Tagebücher“ – wir haben es u.a. schon hier und hier bemüht – auf S. 494 festgehalten). „Ich habe jemanden gekannt, den der bloße Gedanke, bald einmal und von Zeit zu Zeit das Paar Schuhe ersetzen zu müssen, das er an den Füßen trug, in tiefe Melancholie stürzte; desgleichen seine Kleider, seinen Hut, seine Wäsche, seine Krawatte. Man mußte darin nicht Geiz sehen, sondern eine Art Verzweifelung darüber, sich auf nichts Dauerhaftes, Endgültiges, Absolutes stützen zu können.“

Da waren schon die alten Griechen vor rund anderthalb Jahrtausenden schlauer: panta rhei – alles fließt. Das von Gidé beschriebene männliche Wesen ein richtiges Weichei? Oder vielleicht ein Seher, der das Unheil schon vorausgeahnt hatte? Denn am 24. Oktober 1929 – also exakt einen Tag nach diesem Eintrag – kam es an der New Yorker Börse zum Crash. Dem „Schwarzen Donnerstag“, bei uns aufgrund der Zeitdifferenz zu einem ebensolchen rabenschwarzen Freitag, von dem auch Paris nicht gänzlich verschont blieb. Unsere gegenwärtige inflationäre Entwicklung und die Wirtschaftsaussichten lassen grüßen. In diesem Falle hoffentlich gerade nichts Dauerhaftes!

3. Spitz-findig-keit

Spitzen-politiker: aufgespießt von Susanne Gaschke, der Berliner NZZ-Autorin, im Newsletter „Der andere Blick“ vom 17.10.2022:

„Es sind Bilder purer Lebensfreude: Omid Nouripour, der Bundesvorsitzende der Grünen, hüpft zum Hip-Hop-Beat, der aus den Lautsprechern wummert. Viele Parteifreunde tun es ihm nach. Sie tanzen unbeschwert, dicht gedrängt und vor allem – fast alle ohne Maske. Es ist der Parteiabend nach dem Parteitag, auf dem die Delegierten der Regierungspartei am Wochenende in Bonn ernste Dinge verhandelt haben, vom Atomausstieg in Zeiten der Energieknappheit bis zu Waffenlieferungen an Autokraten.“

Dabei trugen die Delegierten brav ihren Mund-Nasen-Schutz, obwohl für Versammlungen gegenwärtig gar nicht vorgeschrieben. Frau/Mann präsentierte sich in Bonn als Team Vorsicht. „Tagsüber.

Doch irgendwann muss ja auch einmal Schluss sein mit all der seuchenpolitischen Korrektheit. Beim Feiern stört die Maske doch gewaltig. Obwohl die Ansteckungsgefahr beim engagierten Tanzen deutlich höher sein dürfte als beim disziplinierten Diskutieren, machten sich die Delegierten obenherum frei. …

Die Parteitags-Sause ist keine Ausnahme. Sie reiht sich ein in einen immer fadenscheiniger wirkenden Umgang deutscher Spitzenpolitiker mit den eigenen Corona-Regeln.“

So reist Bundeskanzler Olaf Scholz samt Troß im Regierungflieger ohne Maske nach Kanada. Ministerpräsident Markus Söder zeigt sich maskenlos auf dem Münchner Oktoberfest. Und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fährt ohne Gesichtsbedeckung im Regionalexpress.

„Aus ihrer Perspektive messen Spitzenpolitiker wie Nouripour, Scholz, Steinmeier oder Söder mit zweierlei Mass: Der Bevölkerung werden seit zweieinhalb Jahren permanent Vorschriften gemacht, und die Maske wurde dabei zum Symbol der Solidarität und Rücksichtnahme stilisiert. Doch wenn man unter sich ist, so der fatale Eindruck, dann nimmt man sich die Freiheit – und atmet ohne Maske durch.

Privilegien für die einen, Moralisierung und Vorschriften für die anderen – das ist eine heikle Kombination.“ So beschrieben und kommentiert von der NZZ.

Widmung ohne große Worte

Dem Sonntagskind Manfred Bopp gewidmet, der heute seinen Geburtstag feiert. Während er Verantwortung trug ein schwäbischer Bürgermeister alter Schule. Und schon immer ein guter Kamerad.

Und hier geht es zügig weiter mit den Ansichten zur Kernkraft.

#PreppoKompakt

Wasser predigen und selbst Wein/Bier trinken, das kam noch nie gut an. Vielleicht vergessen die Wählerinnen und Wähler aufgrund der Informationsflut wiederum vieles, was diese Spitzen-politiker so abgesondert haben. Unserem Gemeinwesen jedenfalls ist es abträglich. Es geht langsam, aber sicher – um im Bild zu bleiben – den Bach hinunter. Aber Melancholie lassen wir nicht an uns heran.

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