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Spitz-findig-keit #87

7 minutes

Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‘Spitz-findig-keit’ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitz-findig-keit #87

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute denken wir gemeinsam über den gängigen Spruch “Alles schon mal dagewesen” nach. Und fragen uns ernsthaft, ob wir das als Trost oder schlichtweg zum Verzweifeln finden soll(t)en?

1. Spitz-findig-keit

Die NZZ vom 5.11.2022 berichtet unter dem Titel “Die Vorbilder der Kartoffelbreiwerfer: Schon 1914 verstörten Aktivistinnen mit Attacken auf bekannte Kunstwerke”, in welcher Tradition sich die heutigen Klimaaktivisten, so auch die Extinction Rebellion, wähnen.

Die britischen Frauenrechtskämpferinnen – genannt Suffragetten – organisierten sich ab 1903 unter der Führung von Emmeline Pankhurst in der Women’s Social and Political Union (WSPU). Mit Taten – statt Worten – die das öffentliche Leben störten und spürbar in den Alltag eingriffen, zielten sie auf eine maximale Aufmerksamkeit ab.

In der Frühphase ging es vornehmlich gegen Politiker, mit Brandanschlägen auf deren Häuser sowie Briefbomben. Sie schlugen auch regelmässig Schaufenster ein, “… ab 1912 aber erreichte das Handeln der Suffragetten eine neue Dimension. Die Frauen legten nun den Verkehr lahm, indem sie Bahnhöfe in Brand steckten und Eisenbahnsignale ausser Kraft setzten, dazu kappten sie Telefonkabel und versahen Briefkästen mit Sprengsätzen, um die Kommunikationswege zu unterbrechen.”

Zu Kriegsbeginn Ende Juli 1914 stellte die WSPU ihre Aktionen sofort ein. Die Frauen in der Gesellschaft mußten die Posten und Aufgaben der zum Militär eingezogenen Männer übernehmen. Und 1918 erhielten sie – ebenso wie bis dahin unterprivilegierte Soldaten – endlich auch das Wahlrecht.

Wie ging es mit den Führungsfiguren weiter? Emmeline Pankhurst wurde zur nationalistischen Kriegstreiberin und Mary Richardson, die 1914 in der National Gallery in London einen Velázquez aufschlitzte, landete 1932 bei den Faschisten. “Nach eigenem Bekunden ist es der Mut zur Tat gewesen, der die Frau … zwei Jahrzehnte später an den Schwarzhemden faszinierte.” So Claudia Mäder in der NZZ.

2. Spitz-findig-keit

Der “Venus vor dem Spiegel” von Diego Velázquez ist dank Restaurierung von der Attacke nichts geblieben. Wenn von einem historischen Ort historische Gegenstände – auch nur zeitweise – verbannt werden, wie jüngst beim G7-Gipfel in Münster geschehen, dann besitzt das eine ähnliche “Qualität”.

In seinem Artikel auf TE vom 4.11.2022 unter der Überschrift “Kreuz und Bibel wandern in die Grüne Tonne” formuliert Peter Hahne: “Die letzten Dämme gegen die Wokeness brechen: Eine deutsche Außenministerin ordnet an, den historischen Zentral-Gegenstand aus dem historischen Friedenssaal in der historischen Stadt des Westfälischen Friedens zu entfernen. Und das ist nur möglich, weil es kaum Widerstand gibt. Und wer sich widersetzt, wird platt gemacht.”

Weiter geht es:

“Der Theologieprofessor Jürgen Henkel bringt es … auf den Punkt: ‘Diese maximale kulturelle Selbstverleugnung überrascht nicht wirklich. Von der Frage der Abtreibung bis zum Thema der religiösen Prägung des Landes und Europas zeigen die gerade in Deutschland von den Kirchen so hofierten GrünInnenden* mittlerweile offen wie nie zuvor die hässliche Fratze ihres Kirchenhasses und ihrer Ablehnung der christlichen Prägung unseres Landes und unserer Kultur.'”

Dazu ein (zweisprachiger) Kommentar von insgesamt über 50 von “the ministry of silly walks

the bronze age kingdoms tumble
the cities fade one by one
the walls of Mycenae crumble
the dark age has begun…

Entschuldigen Sie bitte, bin eigentlich Optimist – ich komme nur immer seltener dazu…”. Dem kann ich – JG – mich vollinhaltlich nur anschließen.

3. Spitz-findig-keit

Im “Buch der Tagebücher” (wir haben es u.a. schon hier und hier bemüht) findet sich heutigentags (auf S. 533) ein Eintrag des Publizisten und Sammlers Karl August Varnhagen von Ense (1785 – 1858) aus dem Jahre 1851: “Meine Tageblätter arten in eine Aufzählung von Schändlichkeiten und Dummheiten aus, die täglich von oben her begangen werden; es ist mir leid genug, wie gern schrieb’ ich andres nieder! Das Schlimmste aber ist, daß alles was ich schreibe, noch nicht der hundertste Teil dessen ist, was täglich begangen wird. … Der Regierungsschaum, der jetzt über Europa schwimmt, ist wie ein gepeitschter Quark, zu dem alle Zucht- und Narrenhäuser ihren Unrat hergeben.”

Der Onkel 1857 von der Nichte Ludmilla Assing im Brustbild (Lithographie auf festem Velin) festgehalten. Mit dem bereits 1814 verliehenen Orden Pour le Mérite. Quelle Stiftung Stadtmuseum Berlin.

Die Tagebücher decken (wie auf S. 660-661 beschrieben) die gut vier Jahrzehnte des Aufenthalts des gebürtigen Düsseldorfers in Berlin bis zum Tode 1858 ab. Herausgegeben wurden sie, erst drei Jahre nach seinem Ableben, von seiner Nichte Ludmilla Assing. Den ersten beiden Bänden in 1861 folgten bis 1870 achtzehn weitere nach. Was Karl August Varnhagen nicht mehr tangierte, hatte sie auszubaden. Denn Ludmilla Assing wurde wegen Majestäts- und Beamtenbeleidigung in zwei Gerichtsverfahren in Abwesenheit zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt und steckbrieflich gesucht. Nachdem sie allerdings bereits in Florenz im politischen Exil lebte, hielten sich auch für sie die Auswirkungen in Grenzen.

Und hier wartet die nächste Spitzfindigkeit auf uns.

#PreppoKompakt

Nehmen wir es als Trost! Denn es belegt ja, dass es immer weiter geht und danach auch wieder bessere Zeiten kommen können. Zugleich rüttelt es aber auf und spornt an, denn die besseren Zeiten kommen nicht von alleine. Also hier und jetzt wider den gängigen Phlegmatismus des Gros der Wählerschaft und für ein pragmatisches, vernünftiges Handeln!

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