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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstösse zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!
Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Heute geht es um ein paar simple Gedankenspiele und -sprünge, die ich selbst zu verantworten habe. Dabei stolpere ich von einer Spitzfindigkeit zur nächsten.
1. Spitz-findig-keit
„Ich denke, also bin ich“ – dieser Grundsatz des Philosophen René Descartes kam mir in den Sinn, als ich am Freitag auf dem Hometrainer radelnd, wie zu erwarten, nicht vom Fleck kam. Umso beweglicher waren meine Gedanken, die um eine Woche zurücksprangen: vom Zahnweh getrieben – siehe Arthur Schnitzlers Bemerkung dazu in # 50 – durfte/musste ich, obwohl ich sehr an meinen Zähnen hänge, einen davon beim Zahnarzt zurücklassen.
2. Spitz-findig-keit
Doch damit nicht genug. Meine leicht triefende Nase bewog mich am Sonntag vor einer Woche, mich einem „hochpräzisen“ Antigen-Test zu unterziehen. Zur Eigenanwendung, einfache Handhabung mit Nasenabstrich in nur 2,5 cm Tiefe, Ergebnis nach 15 Minuten – und prompt fiel dieser positiv aus. Es ist schon verrückt, welche Gedanken einem da durch den Kopf schießen, welche Gefühle hochkommen.
Nach dem ersten Schreck der Blick ins Internet, um etwas über die nächsten Schritte in Erfahrung zu bringen. Beispielsweise über die Corona-Quarantäne sowie wann und wie man sich daraus freitesten kann. Zunächst ist man aber gehalten, einen offiziellen Test machen zu lassen. Trotz Sonntagnachmittag gab es etliche Möglichkeiten dazu in der Stadt – und am gewählten Standort auch keine lange Autoschlange. Die etwas schwerfällige Registrierung, drei Anläufe mit unterschiedlichen E-Mail-Adressen, dann der freundlich begleitete Test. Kurz nachdem ich wieder zuhause bin per Mail die Meldung: „Ihr Testergebnis … liegt vor und lautet: negativ. Im Anhang … finden Sie Ihr Schnelltest-Zertifikat als PDF-Datei.“ Erleichterung pur!
3. Spitz-findig-keit
Wie hätte Schnitzlers spitze Zunge und scharfer Geist die Flutkatastrophe im Ahrtal kommentiert, wo es im Juli 2021 Tote und Verletzte gegeben hat – wir haben hier darüber berichtet. Legen wir ihm einfach die Frage „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Dümmste im ganzen (Rhein)Land?“ in den Mund. (Nicht zu verwechseln mit „The Länd“, womit ein grüner Ministerpräsident viel gutes schwäbisches Geld verbrannt, treffender formuliert, den Bach hinuntergelassen hat.)
Im direkten Wettstreit laut faz-net vom 10.3.2022 unter dem Titel „Keiner will die Verantwortung gehabt haben“ (hinter Schranke) die damalige rheinland-pfälzische Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) und die nordrhein-westfälische Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU). „In Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz bemühen sich derzeit parlamentarische Untersuchungsausschüsse um die Aufarbeitung der Juli-Flut. … Politisch besonders aufgeladen ist die Atmosphäre in Düsseldorf. Die Opposition aus SPD und Grünen hofft kurz vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl Mitte Mai im Ringen mit der schwarz-gelben Regierung noch auf den ein oder anderen Geländegewinn. Nach bisherigem Erkenntnisstand war das Krisenmanagement in Rheinland-Pfalz vor und unmittelbar nach der Katastrophe jedoch (noch) verheerender als in NRW.“
Ebenfalls am 10.3.2022 hält faz-net fest, dass Ministerin Spiegel am 14. Juli, dem Tag der Flut im Ahrtal, eine entwarnende Pressemitteilung freigegeben hat. „Sie bestand lediglich auf eine gendergerechte Formulierung.“ Und am 8.3.2022 berichtet faz-net (hinter Schranke): „Bereits um 18 Uhr am Katastrophentag wusste das Ministerium in Mainz, dass es an der Ahr ein Extremereignis gab. Am Folgetag war die Umweltministerin … Anne Spiegel vor allem besorgt, ihr könnte Verantwortung angelastet werden.“
Ans Gendern denken, aber vergessen, die Menschen zu warnen. Mailen statt handeln und reüssieren statt sich der Verantwortung zu stellen. Denn zur „Belohnung“ wird man knapp fünf Monate später eben Bundesfamilienministerin – ja, so verrückt ist unsere Welt. Aber vielleicht tue ich dem Spiegelbild unrecht und es ist doch nicht das Dümmste, weil es ganz einfach dem Zeitgeist entspricht. Denn Anstand gibt es laut Roland Tichy eben „… nur als versickerndes Rinnsal.“
Und hier geht es friedliebend weiter.
#PreppoKompakt
Es fehlen ganz klar traditionelle Werte in der Politik und Gesellschaft. Es muss ja nicht gleich der selbst in Japan seit 1868 verbotene, zudem Männern vorbehaltene Seppuku/Harakiri sein. Aber nach ganz offensichtlichen Fehlern und Fehlverhalten den Hut zu nehmen, sollte wieder Standard werden. Um wieder in den Spiegel blicken zu können.