Spitz-findig-keit #59

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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitz-findig-keit #59

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute gibt es dafür eine bunte Mischung an Themen aus E-Rollern, Beamtenstellen und einem beachtlichen Weltrekord.

1. Spitz-findig-keit

E-Roller oder -Scooter sind in den Großstädten in der Regel eine echte Gefahrenquelle und ein vielfältiges Ärgernis. Wir haben uns im Blog schon mehrfach damit beschäftigt – zuletzt hier am 25.6.2020 und hier am 9.12.2019. Nun nach der Pandemie und mitten im Krieg in der Ukraine mit seinen verstörenden Nachrichten, greift die NZZ am 3.5.2022 das Thema aus eidgenössischem Blickwinkel wieder auf (hinter Schranke). Im wunderschönen schwyzerdütsch heißt es dort, die „Trottoir-Trotti-Trottel“ seien eine immer größer werdende Plage.

„Gemäss Zahlen des Bundesamtes für Strassen (Astra) gab es 2021 schweizweit 376 Unfälle mit E-Trottinetten, fast dreimal mehr als noch zwei Jahre zuvor. In knapp zwei Dutzend Fällen wurden Passanten in Mitleidenschaft gezogen.

In Lausanne ist die Plage der Trottoir-Trotti-Trottel besonders akut. Das Gefälle ist so gross wie in keiner anderen Schweizer Grossstadt, entsprechend schnell werden auf einem – elektrischen wie ‚klassischen‘ – Gefährt Geschwindigkeiten erreicht, die notabene für Kleinkinder bei einem Unfall (lebens)gefährlich sein können. …

In erster Linie gefährden sich die Fahrerinnen und Fahrer von E-Trottinetten jedoch selbst. Sie tun dies oftmals mit einer Nonchalance, die erstaunt: Auf der Skipiste hat sich der Helm längst durchgesetzt, und auch auf den Köpfen von Velofahrern thront zumeist einer. Zahlreiche Nutzer von Trottinetten hingegen unterschätzen die Gefahr, die vom wenig stabilen Fahrzeug mit dem hohen Schwerpunkt ausgeht. 89 Personen wurden 2021 bei E-Trottinett-Stürzen schwer, 245 leicht verletzt.“

Dies schreibt Antonio Fumagalli in der NZZ.

2. Spitz-findig-keit

Eine zündende Idee hat Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP), indem er die Bundestagsbüros für die Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) und Angela Merkel (CDU) infrage stellt. „Ich halte es für unabdingbar, die grundsätzliche Diskussion zu führen, inwieweit diese Nachlaufbüros von Bundeskanzlern im Zweifel noch über Jahrzehnte personell voll ausgestattet sein müssen“, so in faz-net vom 27.4.2022 wiedergegeben.

Also ran und die „Altkanzlerprivilegien“ abschaffen, was nicht einmal eines Gesetzes bedarf. Denn die Ausstattung mit Büros samt Personal fällt – im Gegensatz zur Besoldung – in die alleinige Haushaltshoheit des Bundestages.

Sparsamer Umgang mit Steuermitteln im speziellen Fall

Es erscheint ungerecht, denn bei den ranghöheren Bundestagspräsidenten gilt inzwischen eine zeitliche Befristung. Laut Beschluss des Haushaltsausschusses vom 20. März 2019 wird die Personalausstattung der Büros zukünftiger ehemaliger Bundespräsidenten nach Ablauf von zehn Jahren um eine Referentenstelle verringert, so Wikipedia. Und dort weiter: „Die fortdauernde Amtsausstattung ehemaliger Bundespräsidenten umfasst lebenslang ein Büro … mit Personal, Reisen, Dienstfahrzeugen und Fahrer. Der Bundesrechnungshof hat dies (mit kritischem Unterton – JG) 2018 als „Automatismus der ‚lebenslangen Vollausstattung‘“ bezeichnet … . Die bislang längste Gewährung einer Amtsausstattung für nachwirkende Aufgaben erstreckte sich über 37 Jahre nach einer fünfjährigen Amtszeit.“ So Wikipedia, wobei dort nicht explizit erwähnt wird, dass es sich um Walter Scheel von der FDP handelt, der „Hoch auf dem gelben Wagen“ so lange dahinglitt (zur Auffrischung des Gedächtnisses eine holprige Aufnahme aus 1973 auf YouTube, ein Jahr bevor er Bundespräsident wurde – 1:41 Minuten).

Gerhard Schröder stehen neun Stellen für sein Altkanzler-Büro zu, was in 2021 die Steuerzahler 407.000 Euro gekostet hat. Bei Angela Merkels „außer Diensten-Büro“ sind es deutlich mehr als eine Million Euro im Jahr – am 28. November 2021 als wir hier darüber berichteten, noch auf Lebenzeit.

Über beide Fälle macht sich aktuell der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages Gedanken. Wolfgang Kubicki geht davon aus, dass der „… sehr sorgsam mit den Steuermitteln umgehen und eine weise Entscheidung in dieser Frage treffen wird.“

Allgemein wohl eher nicht

In dieser speziellen Frage vielleicht – allgemein sind, was den sorgsamen Umgang mit Steuermitteln anbelangt, aber ernste Zweifel angebracht. Erleben wir doch unter der Ampelkoalition seit ihrem Amtsantritt im letzten Dezember eine wundersame Stellenvermehrung fast biblischen Ausmaßes. Von Spitzfindigkeit zu Spitzfindigkeit – #39 mit 176 neuen, #44 mit weiteren 148 Stellen – und nun, wie auf TE vom 26.4.2022 zu lesen ist, mit insgesamt 758 neuen Beamtenstellen in den Ministerien. Dass dafür 54 Angestelltenstellen gestrichen/abgeschafft werden, fällt nicht so sehr ins Gewicht.

3. Spitz-findig-keit

In der NZZ vom 25.4.2022 ist zu lesen: „Die Japanerin Kane Tanaka ist im Alter von 119 Jahren gestorben. Sie galt bisher als der älteste Mensch der Welt. Wie die Lokalregierung ihrer Heimatstadt Fukuoka am Montag bekanntgab, starb Tanaka bereits am 19. April.“ Am 2. Januar 1903 war sie als siebtes Kind von insgesamt acht Geschwistern zur Welt gekommen. Im Jahr 1922 heiratete sie und zog vier eigene und ein Adoptiv-Kind groß. Sie überlebte ganz nebenbei fünf Kaiser.

Als Erfolgsgeheimnis gab sie „den Verzehr leckeren Essens und Lernen“ an. Dabei aß sie sehr gerne Schokolade und pflegte bis ins hohe Alter ihre „… grosse Leidenschaft für Mathematik und das Brettspiel Othello. Sie stand … morgens um 6 Uhr auf und ging erst gegen 21 Uhr ins Bett.“

Sicherlich hätte sie mit dieser Einstellung und wohl auch Begabung posthum viel Freude daran, die 43 572 Tage ihres Lebens in Monate (1431 plus 17 Tage), Wochen (6224 plus 4 Tage), Stunden (1 045 728), Minuten (62 743 680) und Sekunden (3 764 620 800) umzurechnen. Uns hilft dabei der alternative Tageskalkulator von timeanddate.com aus Stavanger. Mit den Norwegern haben wir schon hier elegant erstaunliche Rechenkunststücke vollführt.

Und hier geht es weiter zur #60.

#PreppoKompakt

Schweizer E-Trottinetten statt Postkutschen als fortdauernde Ausstattung für ehemalige Amtsträger – ob Bundespräsident oder -kanzler. Wenn dann noch ein starkes Straßengefälle wie in Lausanne hinzukommt, lösen sich die Probleme von selbst. Und den „Normalsterblichen“ nicht nur in Japan viel Schokolade – je dunkler, desto besser -, damit sie älter und älter werden. Statt fünf Kaisern überleben sie dann locker zehn Bundespräsidenten. Humor/Spaß muss sein, sagte manchmal mein Vater, und wenn es auf dem Totenbett ist. Oder auch auf dem Grabstein, wo ich neulich bei einem Friedhofbesuch zufällig las: „Ich wäre gerne länger geblieben“. Von 1949 bis 2012, dem Jahr als es zu Ende ging – waren das noch Zeiten!

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