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Spitz-findig-keit #80

6 minutes

Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitz-findig-keit #80

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Wir widmen unsere Aufmerksamkeit angesichts steigender Inflationsraten lieber den allgegenwärtigen Finanzproblemen. Der Bund der Steuerzahler (BdSt) mit Sitz in Berlin – wir haben ihn unter anderem in der #70 mit dem „Steuerzahlergedenktag“ ins Spiel gebracht – beschäftigt sich damit höchst professionell. Literaten sind, wie andernorts am 25. September 1902, dort allerdings nicht zugange.

1. Spitz-findig-keit

Heute genau vor 120 Jahren hält der französische Schriftsteller Léon Bloy (11.7.1846 – 3.11.1917) in seinen Tagebuch fest: „Schmerzvolle Abführung unserer Steuern. Ich versage es mir nicht, dem Kassierer meine wahren Empfindungen recht deutlich zum Ausdruck zu bringen: Sein Schalter – sage ich ihm – habe eine geradezu wonnige Ähnlichkeit – im bildlichen Sinne selbstverständlich – mit einer Abortöffnung, in welche man mich nötige, das Brot meiner Kinder hineinzuwerfen, damit es sich in der duftigen Tiefe in das Frühstücksbrot des Herrn Ministers Trouillot, den Aperitif seines Herrn Kollegen Pelletan und die Hose des Herrn Abbé Combes verwandle!“

Bloy verzweifelt an den Maßnahmen des Kabinetts Émile Combes, das vom 7. Juni 1902 bis zum 18. Januar 1905 in Frankreich das Heft in der Hand hielt und regierte. Sein unsteter, alles in allem tragischer Lebenslauf in und um Paris – unterbrochen durch einen Kurzaufenthalt in Dänemark – ist voll gespickt mit Mißerfolgen und Katastrophen. So sterben unter anderem zwei seiner vier Kinder an Hunger. Wüste Verzweifelung, bitterer Hass, extreme Armut sind die Folge, wie der Blick ins “Buch der Tagebücher” (S. 451 und 618) – wir haben es schon hier, hier, hier und hier bemüht -, sowie Wikipedia (fra) belegen.

2. Spitz-findig-keit

Seit dem 12. Juni 1985 läuft/tickt dafür beim BdSt die „Schuldenuhr“. Sie zeigt auf, wie hoch in Deutschland die Verschuldung in den Kernhaushalten von Bund, Ländern und Kommunen absolut ist. Wie sie sich, die sogenannten Schattenhaushalte eingeschlossen, von Sekunde zu Sekunde verändert und wie hoch sie letztendlich pro Kopf ausfällt.

Seit dem 1. September ist die Uhr – vorübergehend – ausgestellt. Um solidarisch zusammen mit den Bürgerinnen und Bürger sowie den Betrieben, die durch Pandemie, Krieg und Energiekrise wirtschaftlich belastet sind, den Stromverbrauch zu senken. Und obwohl die große Schuldenuhr ausgeschaltet ist, wächst dummerweise der Schuldenberg unbeirrt weiter, wie in der Kopf- oder Fußzeile (je nach Gerät: PC oder Mobil und Tablet) der Verbands-Website auf www.steuerzahler.de visualisiert.

Wer sein Gespür für größere Zahlen etwas verfeinern und Kopfrechnen üben möchte, hier bietet sich dazu eine wunderbare Möglichkeit. Wenn pro Sekunde die Staatsverschuldung um rund 5.000 € zulegt, dann sind dies in zwei Sekunden 10.000 und in einer Minute 300.000 €. Und wenn Sie jeden Tag einmal zur selben Zeit auf die Uhr blicken, dann hat sich der Schuldenstand um 432 Millionen € erhöht. Um gegenwärtig die gesamten Schuldenlast abzubilden sind 13 Stellen notwendig. Das heißt wir bewegen uns im Bereich von 2,4 Billionen € (eine Billion gleich 1.000.000.000.000). Teilt man diese durch die rund 80 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner, dann kommen pro Kopf rund 30.000 € heraus.

3. Spitz-findig-keit

Einen persönlichen Inflationsrechner bietet die NZZ am 13.9.2022 an. Ohne im Kopf zu rechnen, kann man mit der Eingabe von wenigen persönlichen Daten zur Mobiliät, zur Ernährung und zum Wohnen feststellen, wieviel Prozent die persönliche Inflationsrate im August 2022 im Vergleich zum Vorjahr beträgt. Durch die weitere Eingabe des monatlichen Bruttogehalts und des vorhandenen Sparguthabens wird aufgezeigt, „… wie viel Sie heute verdienen müssten, um Ihren Lebensstil aufrechtzuerhalten.“ Respektive, „… wie viel Ihr Erspartes heute noch wert ist.“

Der Rechner arbeitet mit den Daten des Statistischen Bundesamtes/Destatis – üblicher Verbraucherpreisindex auf durchschnittlichen Warenkorb – und zeigt, durch welche Kaufentscheidungen die Inflation momentan steigt oder sinkt. „Die Ergebnisse erlauben nur eine ungefähre Einordnung und sind daher mit Vorsicht zu interpretieren. Dasselbe gilt für den Kaufkraftverlust, den wir für Sie berechnen. Die Inflationsrate basiert nicht auf einer genauen Berechnung, sondern ist lediglich eine grobe Annäherung an Ihre persönliche Inflation. Faktoren wie Wohnort und Familienstand, die einen Einfluss auf die individuelle Teuerung haben, werden nicht berücksichtigt.“ So die für den Beitrag in der NZZ verantwortlichen Personen – drei Namen davon siehe im PreppoKompakt.

Widmung

Meinen Freunden/Kollegen Alfons K., Gregor H., Herbert B., Hubert S., Lothar M. und Manfred B. gewidmet, die während ihres ganzen Berufslebens dafür gesorgt haben (in einem Fall dauert es noch an), dass die kommunalen Finanzen ordentlich erhoben und vernünftig eingesetzt wurden. Alles kluge schwäbische Bürgermeister, für die Sparsamkeit kein Fremdwort war (ist) und Gemeinwohlorientierung, Verantwortungsbereitschaft, Pflichtgefühl zur Grundausstattung ihres Berufsstandes gehörten (gehören).

Und hier geht es ganz schön spitz weiter.

#PreppoKompakt

Sind Namen/Zahlen nicht Schall und Rauch? Wenn es so weitergeht, pulverisiert auch unsere Währung, zurück bleibt (Nicolas) Staub. Selbst wenn geben (Florian) Seliger ist, denn nehmen, wem und wozu hilft es? Um (Nelly) Keusch zu sein, vielleicht ein wenig.

Eine Antwort

  1. Hallo Jürgen,
    diese Spitzfindigkeiten habe ich heute im Urlaub in Meran gelesen. Die Einleitung ist absolut spitze. Den Bezug auf die „Schmerzvolle Abführung der Steuern“ finde ich zutreffend und einen guten Vergleich.
    Geehrt fühle ich mich natürlich, dass ich in deiner Widmung genannt bin.
    Grüße
    Manfred B.

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