Spitz-findig-keit #222

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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute packen wir dafür einfach eine 100 Jahre alt gewordene Publikation, eine 100 Tage bestehende Regierungskoalition und einen rein rechnerisch 222 Lenze zählenden Intellektuellen zusammen.

1. Spitz-findig-keit

Die Zeitschrift „Osteuropa“ wird 100 Jahre alt, wie die NZZ vom 19.5.2025 berichtet (hinter Schranke). „Von den Nazis verfemt, dann treu zum ‚Führer‘, heute eine ‚extremistische Organisation‘ auf Putins Feindesliste …“, so der Aufmacher. Und: „Wer … die osteuropäischen Staaten verstehen will …“, kommt kaum um die Lektüre dieser Zeitschrift – für Gegenwartsfragen des Ostens – herum. Den Zusatz trug sie bis in die 2010er Jahre hinein.

In Berlin 1925 gegründet, 1933 auf nationalsozialistische Linie gebracht, dann 1939 eingestellt, 1951 in Aachen wiedererschaffen. 2002 zurück nach Berlin, ab 2022 von Putin zunehmend mit Schikanen überzogen, so lassen sich die Zäsuren dieser hundert Jahre beschreiben. Im Vorwort zur Jubiläumsausgabe von Osteuropa (1-3/2025, S.5-6), die keine Festschrift sein möchte, fasst das dreiköpfige Autorenteam es folgendermaßen zusammen: „In diesem Jahrhundert bewegte sich das Verhältnis der Deutschen zu ihren Nachbarn im Osten zwischen Neugier und Entfremdung, Furcht und Faszination, Hass und Vernichtung, Kooperation und Konfrontation, Freundschaft und Feindschaft.“ Und versteht das gemeinsame Werk als ein Barometer, „… an dem sich der Luftdruck über Europa und damit die politische Wetterlage zwischen Ost und West ablesen lässt.“

Mit Neugier, Faszination, Kooperation und Freundschaft kann ich, Glückspilz, meine beruflichen Erfahrungen in Bonn und Brüssel während einer ausgesprochenen Schönwetterlage in den 1990er Jahren beschreiben. Dies bringen unter anderem die zwei Osteuropa-Beiträge – Umweltpolitik am Baikalsee: Bestandsaufnahme, Taxonomie der Umweltprobleme und Entwicklungslinien für ein Handlungsprogramm (Heft 9/1992); Umweltpolitik in Mittel- und Osteuropa – der Prozeß „Umwelt für Europa“ (Heft 4/1996) – klar zum Ausdruck.

2. Spitz-findig-keit

Von 100 Jahren zu 100 Tagen. Was es im bunten Österreich nicht alles gibt. Aber auch wenn die Koalition aus der konservativen Volkspartei ÖVP, der sozialdemokratischen SPÖ und den liberalen Neos keine leichte Geburt war, eine Totgeburt ist es sicherlich nicht. Dabei hat es DerStandard am 10.6.2025 unfreiwillig suggeriert.

Ein Leser-Kommentar stellt „Nomen est omen“ in den Raum. Zwischenzeitlich wurde der Fehlerteufel aber wieder vertrieben. Auch wurde der Pressetermin wegen des Vorfalls in Graz abgesagt.

Tragik pur. In Graz endet am Dienstagvormittag gegen 10 Uhr ein Amoklauf in einem Gymnasium mit 10 Toten und 11 zum Teil schwer Verletzten. Der 21jährige Täter, ein ehemaliger Schüler, hinterließ einen Abschiedsbrief, suchte sich seine Opfer in zwei Klassenzimmern und richtete sich danach selbst, wie faz-net gleichentags festhält. Eine dreitägige Staatstrauer für ganz Österreich ist angesagt.

3. Spitz-findig-keit

Funktioniert im Kleinen wie im Großen, was uns Ralph Waldo Emerson am 15. Juni 1844 in Concord/Massachusetts, also vor 181 Jahren mit auf den Weg gegeben hat („Buch der Tagebücher“, S. 284 und zur Person S. 684):

„Halte denen, die nach dir kommen, immer die Tür offen und versuche nicht, die Welt zu einer Sackgasse zu machen.“

Wir haben Emerson übrigens schon in der #219 bemüht, wo er es punktgenau auf 222 Jahre brachte.

#PreppoKompakt

Zahlenspielereien machen einfach Spaß, solange es nicht um gewaltsam zu Tode gebrachte und verletzte Menschen geht.

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