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Seit unserem letzten Bericht Anfang des Jahres über die Einstellung zur Kernenergie – hier – hat die Entwicklung ungemein Fahrt aufgenommen. Ja, man kann den von Putin am 24. Februar begonnenen/angezettelten Krieg in der Ukraine in Bezug auf die Diskussion um die friedliche Nutzung der Kernkraft als eine Art „Brandbeschleuniger“ bezeichnen. Die Akzeptanz der Kernkraft ist gestiegen. Die Aussagen und Nachrichten seither belegen dies. Viele Regierungen sahen schon zuvor im Kontext der Klimapolitik den Einsatz von Kernenergie positiv, anders als Deutschland. Wie sieht es nun bei uns aus – und wie stabil sind die politischen Positionen. Haben wir den Kipppunkt bei Kernenergie erreicht? Wir versuchen diese Frage, insbesondere mit Hilfe des professionellen Journalismus angesehener Tageszeitungen, so gut es geht zu beantworten.
Stimmungslage nach Kriegsbeginn
„Der Geist ist aus der Flasche, und er wird so schnell nicht wieder einzufangen sein: Die Laufzeitverlängerung der drei Atomkraftwerke, die noch am Netz sind, ist kein Tabu mehr. Robert Habeck wird es nicht leichtgefallen sein, das Undenkbare nun doch für möglich zu halten. Dass es ausgerechnet ein grüner Klimaschutzminister ist, der sich gegen ‚Denkverbote‘ ausspricht, deutet darauf hin, wie groß die Not ist.“ So Jasper von Altenbockum klar und deutlich in seinem Kommentar vom 28.2.2022 in faz-net.
Und weiter: „Will Deutschland am Kohleausstieg festhalten, nun aber auch noch einen Ausstieg aus russischem Gas hinlegen, werden zwar die Träume der Energiewende wahr, aber auch die Albträume der Versorgungssicherheit. Windräder und Solarkraft mögen ‚Freiheitsenergien‘ (Christian Lindner) sein. Dass sich Deutschland aber auch vom Wetter frei machen könnte, das schafft nicht einmal die FDP.“
In der NZZ vom 1.3.2022 heißt es unter der Überschrift „Renaissance der Kernkraft?“: „In den letzten Tagen forderten zahlreiche Stimmen – von den Ökonomen Clemens Fuest und Lars Feld über die Wirtschaftsverbandspräsidenten Reinhold von Eben-Worlée (Die Familienunternehmer) und Siegfried Russwurm (Bundesverband der Deutschen Industrie) bis hin zu Politikern vor allem der FDP und der Union – eine Überprüfung der Fahrpläne für den Kohle- und/oder den Atomausstieg.“
Stimmen der Opposition – Elon Musk als Zugabe
DerStandard zitiert am selben Tag gleich mehrere CDUler: Es ist „sinnvoll, die letzten drei noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke in Deutschland Ende des Jahres nicht abzuschalten“, so der frühere baden-württembergische Ministerpräsident und EU-Kommissar Günther Oettinger. Auch Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz fordert, „dass wir jetzt endgültig auf keine weiteren Optionen der Energieerzeugung mehr verzichten dürfen“. Ebenso der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer und der Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß. Beide fordern das Überdenken der Ausstiegsbeschlüsse zur Atomkraft, wie auch zur Kohle.
Elon Musk
In der NZZ vom 7.3.2022 wird von einem ungewöhnlichen Angebot Elon Musks an Kritiker der Kernkraft berichtet. „Sie sollten eine Region auswählen, in der das Strahlungsrisiko ihrer Einschätzung nach am grössten sei. Er werde dann vor laufender Kamera dort angebaute Lebensmittel essen. Das habe er bereits in Japan getan, kurz nach dem Kraftwerkunfall in Fukushima.“
Während Musk schon länger als Befürworter der Kernenergie unterwegs ist, trifft dies auf den bayerischen Ministerpräsidenten Söder nicht zu. Bislang vertrat er die Ausstiegsposition der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel, nun plädiert er für längere Laufzeiten, beispielsweise in einer Sonntagabend-ZDF-Talkshow.
Friedrich Merz
Faz-net vom 15.4.2022 (hinter Schranke) fragt im Interview bei Friedrich Merz nach: „Markus Söder ist einer der wenigen Unionspolitiker, die offensiv eine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke forder(n). Stehen Sie da an der Seite Bayerns?“
Antwort: „Wir fragen uns, ob es in der aktuellen Lage Sinn macht, die drei letzten Kernkraftwerke auch noch abzuschalten, die immerhin 10 Millionen Haushalte sicher mit Strom versorgen. Wir bekommen ein ernsthaftes Problem mit der Energieversorgung unseres Landes, bei den Preisen haben wir dieses Problem schon längst. Wir sollten es nicht unnötig noch selbst verschärfen.“
Und faz-net nachhakend, heißt dies: „Kernkraft, ja bitte?“
Antwort: „Wie wir uns generell zur Kernkraft stellen, müssen wir im Lichte der technologischen Entwicklung sehen. Ich persönlich bin der Auffassung, dass wir offen sein sollten für die vierte und fünfte Generation der Kernkraftwerke. Die werden ja auch außerhalb von Deutschland schon gebaut. Wir haben hierzulande einen Konsens, dass wir die alten Kernkraftwerke nicht zurückhaben wollen. Unbeantwortet ist die Frage, ob wir die neuen Technologien nutzen wollen. Das sollte ohne Vorurteil diskutiert werden. Mittlerweile gibt es Technologien, die sogar abgebrannte Brennstäbe wiederverwerten könnten. Damit würde auch ein Teil der Endlagerfrage neu beantwortet. Aber das ist eine offene Diskussion.“
RWE, EnBW, E.On – die Noch-Kernkraftwerksbetreiber
Alle drei Energiekonzerne zeigen Verständnis dafür, dass die Bundesregierung angesichts der ernsten Situation alle Versorgungsoptionen prüft. Zugleich verweisen sie aber auf die gesetzlich vorgeschriebene Abschaltung Ende des Jahres und die technisch, organisatorisch und genehmigungsrechtlich extrem hohen Hürden für einen Weiterbetrieb. Die RWE, mit dem Kernkraftwerk Emsland, zeigt sich dabei um Nuancen weniger aufgeschlossen als die EnBW, mit dem Meiler Neckarwestheim 2, die technologieoffen prüfen und die Bundesregierung beraten würde. Oder E.On, das – falls seitens der Bundesregierung ausdrücklich gewünscht – mit dieser über die Randbedingungen für eine verlängerte Nutzung des Kernkraftwerks Isar 2 zu sprechen bereit sei. So zu lesen im oben verlinkten NZZ-Artikel vom 1.3.2022.
Ansteckende Begeisterung oder, etwas nüchterner formuliert, der oft gepriesene Unternehmergeist oder gar überbordender Patriotismus – der nicht unbedingt sein muss – sehen anders aus.
Und am 18.4.2022 titelt die NZZ: „Trotz Ukraine-Krieg: Warum die deutsche Debatte über einen Ausstieg aus dem Atomausstieg folgenlos bleiben dürfte“.
Dazu die wohl zutreffende Feststellung: „Die Konzerne haben sich, so scheint es, auf den Atomausstieg eingestellt – für den sie eine Entschädigung erhalten. Sie wünschen keine aufgewärmte, endlose Debatte, da sie davon ausgehen, dass die Kernkraft in Deutschland politisch doch keine Chance hat. Zwar hat sich laut der jüngsten Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach das Meinungsbild in der Bevölkerung kürzlich gedreht: Im Gegensatz zu einer Umfrage kurz vor Beginn des Kriegs sprachen sich im März 57 Prozent der Befragten dafür aus, die letzten Kernkraftwerke über das Jahresende hinaus am Netz zu lassen. Nur 25 Prozent befürworteten eine pünktliche Abschaltung. Doch solche Mehrheiten sind volatil, und es gibt kaum Anzeichen für einen Sinneswandel der Bundesregierung.“
Der vorprogrammierte Streit bei den Grünen
Schritt vorwärts oder Scheinmanöver
Habecks Aufhebung von Denkverboten habe laut faz-net vom 3.3.2022 bei Energieversorgern, der Wirtschaft und mehreren Landesregierungen Wirkung gezeigt, ihm aber von seiner Kabinetts- und Parteikollegin, Bundesumweltministerin Steffi Lemke, auch Kritik eingebracht.
Nach einem Treffen in Washington mit US-Energieministerin Jennifer Granholm, zog er sein Resümee. Warum gerade dort? Erste Gespräche mit Energieversorgern und anderen Fachleuten in den Landesregierungen hätten ergeben, dass die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke „kein hilfreicher Weg“ sei, da die Betriebsgenehmigungen Ende 2022 ausliefen. Für die nächsten beiden Winter sagte er, „werden wir bessere Alternativen haben.“
Rolle rück- und seitwärts
Faz-net vom 11.3.2022 (hinter Schranke) berichtet, Robert Habeck habe sich entschieden: „im Zweifel lieber Braunkohle als Atomkraft, jedenfalls bis auf Weiteres.“
Faz-net vom 27.3.2022 (hinter Schranke) umschreibt, Habeck habe die Tür einen Spaltbreit für die Kernspaltung geöffnet, sei dann aber doch zurückgerudert. „Die Diskussion um Atomenergie ist mit dem Kampf gegen den Klimawandel wieder aufgelebt. Das letzte Wort … noch nicht gesprochen.“ Denn die Welt setze weiter auf Atomkraft, 441 Reaktoren seien aktuell in Betrieb und 52 im Bau.
Der doppelte Zusammenstoß zweier Kulturen bei den Grünen
Faz-net vom 1.4.2022 (hinter Schranke): „Wieder einmal, wie in der Verteidigungspolitik, stoßen zwei Kulturen aufeinander. Dieses Mal ist es nicht die Friedensbewegung, deren Abkömmlinge in Ämter und Würden aufgestiegen sind und vor einem Scherbenhaufen stehen. Dieses Mal sind es die Erbverwalter der Anti-Atomkraft-Bewegung, die dort angekommen sind, wo sie immer hinwollten, und die Träume ihrer Jugend verteidigen. Es wird nun alles getan, um Argumente zu finden, die gegen eine Bundesgenehmigung für eine landespolitisch gewollte Entscheidung sprechen.“
Pressekommentare, eine Wissenschaftlerin und ein Lobbyist zur Kernenergie
Revision überholter Standpunkte
Christian Geinitz kommentiert in faz-net vom 1.3.2022 (hinter Schranke): „Immer deutlicher wird, dass vor allem der Atomausstieg ein Fehler war. Ihn zuerst auszurufen und dann den Kohleausstieg hinterherzuschicken, war weder sinnvoll für die Versorgungssicherheit noch für den Klimawandel. Es wäre richtig, angesichts der russischen Bedrohung und der energiepolitischen Unsicherheit Kernenergie und Kohle am Netz zu lassen, doch ist unklar, in welchem Umfang sich das überhaupt noch realisieren lässt. Ideologische Verbohrtheit und Technologiefeindlichkeit fallen den Deutschen jetzt vor die Füße.“
Und weiter: „So wie der Ukraine-Krieg zu Revision überholter Standpunkte in anderen Politikfeldern geführt hat, muss das auch in der Energiewende erfolgen. Die SPD hat ihre Nähe zu Russland und zu Nord Stream 2 richtigerweise bereits aufgegeben, die Grünen müssen jetzt die Verteufelung von heimischer Braunkohle, von Nuklearenergie und anderen Techniken überdenken. Es gilt das Dreieck neu zu ziehen zwischen CO2-Einsparung, Versorgungssicherheit und verkraftbaren Preisen. Das wäre eine vorausschauende Energiepolitik, die in der Vergangenheit leider ausgeblieben ist.“
Und Anna-Lena Niemann legt in faz-net am 2.3.2022, wenngleich dezenter, nach: „Es braucht aber Realismus: Unsere Atomkraftwerke können die Energie, die im importierten russischen Gas steckt, nicht ersetzen. Fast 1000 Terawattstunden (TWh) Erdgas hat Deutschland im vergangenen Jahr verbraucht, gut die Hälfte kam aus Russland. Gleichzeitig haben die letzten Atomkraftwerke knapp 70 TWh Strom erzeugt. Alle Erneuerbaren kamen auf 237 TWh, auch darin zeigt sich die Dimension der Abhängigkeit. Und Energie ist eben nicht gleich Energie. Mit Atomstrom können wir keine Wohnungen wärmen, wenn in der Hälfte aller Haushalte der Weg zum Heizkörper nur durch eine Gastherme führt. Einige Menschen kochen mit Gas, viele Fabriken brauchen es. Das alles lässt sich vielleicht langfristig umbauen, aber nicht in einem Sommer. Und trotzdem: Der Atomstrom kann etwas auffangen, dass ein Teil des Erdgases verstromt wird. Jede Kilowattstunde kann am Ende helfen.“
Wissenschaftliche Stimme aus der Schweiz
In der NZZ vom 18.5.2022 kommt in einem ausführlichen Interview die Nuklearingenieurin, Prof. Dr. Annalisa Manera, von der ETH-Zürich zu Wort. Sie plädiert dafür, dass Kernkraft und Strom aus Wind und Sonne nicht gegeneinander ausgespielt, sondern kombiniert werden. Und sie kämpft gegen Irrtümer, die die Diskussion um die Kernkraft dominieren.
„Die Kernenergie braucht es aus zwei Gründen: Das wichtigste Ziel ist es, so viel CO2 wie möglich einzusparen. Deshalb müssen wir die Nutzung von fossiler Energie im Verkehr und fürs Heizen stark verringern. Unser Strombedarf nimmt damit rasch zu. Um diese Nachfrage zu decken, ist der Ausbau der erneuerbaren Energien nötig, aber auch die ebenfalls CO2-freie Atomenergie. Gleichzeitig brauchen wir aber auch verlässlichen, stetig verfügbaren Strom für die Industrie. Hier hat Nuklearstrom im Vergleich mit Wind- und Sonnenenergie, deren Angebot stark schwankt, einen entscheidenden Vorteil.“
Echter Lobbyist aus Frankreich
In faz-net vom 8.3.2022 (hinter Schranke) ist ein ausführliches Interview mit dem Cheflobbyisten für europäische Atomtechnik abgedruckt. Yves Desbazeille, Chef des Europäischen Atomforums (Foratom) in Brüssel und Chefberater des französischen Energiekonzerns EDF, äußert sich unter anderem zu den bei uns noch vorhandenen kerntechnischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen.
Seine Einschätzung: „Deutschland hat eine Menge Fähigkeiten verloren. Es gibt durchaus noch Forschung – zum Beispiel von der Europäischen Kommission in Karlsruhe – und auch einige Nuklearunternehmen, etwa die Urananreicherungsanlage von Urenco in Gronau. Aber die deutsche Leistungsfähigkeit hat stark abgenommen. Es ist sehr schwer für die Unternehmen und Institute, überhaupt noch talentierten Nachwuchs zu rekrutieren. Welcher Ingenieur möchte schon in einer Industrie arbeiten, von der es heißt, sie habe keine Zukunft und schade der Karriere? Wenn Deutschland zur Kernkraft zurückkehren möchte, muss es das Narrativ verändern. Man braucht eine frische Herangehensweise, aber unmöglich ist das nicht. In Großbritannien und Nordeuropa wurde der Kernkraft auch keine große Zukunft vorausgesagt, das hat sich mit der Klimadebatte stark verändert.“
Andere Länder, andere Herangehensweisen
Belgien
NZZ vom 19.3.2022 mit klarer Botschaft: „Belgien will die Lebensdauer von zwei seiner insgesamt sieben Atomreaktoren um ein Jahrzehnt verlängern. Das bestätigte Ministerpräsident Alexander De Croo am Freitagabend nach Beratungen mit seinem Kabinett. Betroffen sind jeweils ein Reaktorblock am Standort Doel an der niederländischen Grenze und einer am Standort Tihange im Süden des Landes. Die Entscheidung ist eine Reaktion auf die stark gestiegenen Energiepreise im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine.“
Und weiter: „Geplant war eigentlich, bis 2025 komplett aus der Kernenergie auszusteigen. Noch im Dezember hatten sich die sieben Regierungsparteien auf dieses Ziel verständigt. Sie hatten jedoch einen Wiedereinstieg in die nukleare Stromversorgung nicht per se ausgeschlossen, sofern es bei der Erforschung neuer Reaktortypen ökologische und sicherheitstechnische Fortschritte geben würde.“
Vereinigtes Königreich
In der NZZ vom 8.4.2022 wird unter der Überschrift „Renaissance der Atomkraft“ über Boris Johnsons Strategie und Vorgehensweise berichtet. An den heutigen sechs Standorten soll bis 2030 jedes Jahr der Bau eines neuen Atomkraftwerks bewilligt und bis 2050 acht zusätzliche Meiler errichtet werden.
„Atomkraft lässt sich mit Johnsons Klimazielen vereinbaren und stösst in England auf weit weniger Widerstand als in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Viel eher liegt das Problem in der Finanzierung, zumal die Atomkraft für Investoren zu einem unsicheren Geschäft geworden ist. Nun soll eine neue öffentliche Körperschaft die Planung neuer Meiler aufgleisen.“
In mehreren Beiträgen haben wir schon über die Nutzung der Kernenergie in anderen Ländern berichtet. So hier am 24. November 2021, hier am 23. Oktober, hier am 14. Oktober und schließlich hier am 25. September 2021. Erstaunlich sind die dabei ablaufenden Lernprozesse und die an den Tag gelegte Kompromißfähigkeit. Lediglich wir, genauer unsere Regierenden tun sich verdammt schwer damit.
Zurück in Deutschland
Unverblümte Kritik
Auf TE wird am 25.3.2022 von einem „Brandbrief an die Bundesregierung – Kernkraftwerke: Kommt der Ausstieg vom Ausstieg?“ berichtet.
Klare Kante und eindeutige Schlußfolgerungen dazu von Holger Douglas: „Das Zerstörungswerk der Grünen und Roten (auch der ihnen aktiv Zuarbeitenden in der CDU) ist gründlich gelungen. Ehemals blühende Forschungslandschaften wie die im Kernforschungszentrum Karlsruhe oder Jülich sind zerstört worden. Mit viel Geld hochgepäppelt wurden dagegen ‚Forschungsinstitute‘, die feststellen sollten, wie viel Himmel im Jahrmarkt der ‚Erneuerbaren‘ steckt. Die erzählen, dass Wind und Sonne ausreichen, ein Land mit Energie zu versorgen. Sie verdienen viel Geld mit Forschungsaufträgen, die zeigen sollen, wie eine ‚Wasserstoffwirtschaft‘ klappt. Man müsse die Anstrengungen nur vervielfachen. Die vergangenen Wochen zeigen es allerdings drastisch: kein Wind – kein Strom aus den Windrädern. Wer sich auf Windkraft und die Energiewendepäpste verlässt, ist verlassen.“
Und weiter geht es: „Vielleicht muss Habeck demnächst noch eine noch tiefere Verbeugung hinlegen. Allerdings nicht vor seinen Gefolgsleuten, sondern vor der Mehrheit jener Bürger, die die massiven Schäden bezahlen müssen, die bereits in der Infrastruktur und Industrielandschaft angerichtet wurden – durch pure Ideologie. Bisher hat noch immer am Ende die Realität über den Glauben gesiegt.“
Die Achse des Guten vom 22.5.2022 schlägt mit Dirk Maxeiner in dieselbe Kerbe: „In Sachen Atomenergie in Deutschland will ich mich nicht über verschüttete Milch aufregen. Sie ist mindestens doppelt so tot wie die Anlieger des Wiener Zentralfriedhofes. Kernphysik ist ein aussterbendes Studienfach, qualifiziertes Personal zum Betrieb eines AKWs stirbt aus, bald wird hierzulande nicht einmal mehr jemand einen Röntgenapparat reparieren können. Deutsche Gründlichkeit eben.“
Geopolitik für uns eindeutig zu anspruchsvoll
Die NZZ vom 24.5.2022 bescheinigt uns: „Eine überhastete Energiewende hatte Deutschland nach dem Reaktorunfall von Fukushima in die Fänge von Putins Gas-Geopolitik getrieben. Jetzt macht sich Berlin von chinesischen Windrotoren und Solarplatten abhängig. Klug ist das nicht.“
Und weiter: „So schlittert Deutschland von einer Abhängigkeit in eine weitere: Ohne massive Importe aus China ist die ‚grüne‘ und CO2-freie Wirtschaft nicht möglich. Gestärkt wird damit zudem eine Macht, die Putin nicht nur politisch den Rücken freihält, sondern auch noch Moskaus finanzielle Ausfälle kompensiert. Denn China nutzt (wie Indien) die Gunst der Stunde, um aus Russland günstig Energie einzukaufen. Damit kann es noch wettbewerbsfähiger produzieren.
Unglücklicherweise verlieren deutsche Hersteller wegen gestiegener Rohstoffpreise und der Sanktionsblockaden wichtige Marktanteile. So schneidet man sich mit einer aktionistischen Politik gleich doppelt ins eigene Fleisch. In Peking, das seine hegemonialen Ansprüche längst nicht mehr verbirgt, reibt man sich die Hände. Derweil man in Berlin von einer Naivität in die nächste stolpert.“
Dem ist nichts hinzuzufügen – oder doch?
Absurdität made in Kassel
Die NZZ vom 23.5.2022 berichtet: „Noch im Herbst pflanzte die Documenta-Leitung Eichen im märchenhaften Reinhardswald bei Kassel, um das Klima zu retten. Nun soll der Wald Windrädern weichen, die das Klima noch besser retten. Ein Musterbeispiel für die Absurdität der deutschen Energiewende.“
„Umso mehr verwundert nun der Kahlschlag auf dem grünen Höhenzug an der Weser. Es gibt wohl kaum ein treffenderes Bild, um die Widersprüchlichkeit der deutschen Energiewende zu illustrieren, bei der mindestens zwei Prozentsatz der Landesfläche mit Windanlagen bebaut werden sollen. Gestern noch wurden Bäume als Klimaretter gepflanzt, heute zählen nur noch Rotorblätter aus Kunststoff.“
„Der Krieg in der Ukraine bietet offensichtlich zahlreiche Möglichkeiten, bisher politisch umstrittene Vorhaben durchzubringen, wie etwa die Aufrüstung der Bundeswehr. Die Bundesregierung und die Windkraft-Interessengruppen nutzen die Gunst der Stunde, ihre megalomane Energiewende nunmehr rücksichtsloser gegen Bürger und Umwelt durchzusetzen.“
Unkonventioneller Lösungsvorschlag
In der NZZ vom 19.5.2022 ist ein Vorschlag für einen „Deal“ beschrieben. Wenn er in der kleineren Schweiz mit ihren rund neun Millionen Menschen und einer ausgeprägten direkten Demokratie funktioniert, ist er dann auch auf Deutschland übertragbar? Schauen wir uns die Gebrauchsanleitung einfach mal an:
„Bei der Abkehr von Öl und Gas gibt es immer einen Grund, gerade das nicht zu tun, lieber das andere. Nur Tauschhändler lösen diesen Knoten.“
„Die Grünen wollen eine Solarpflicht für geeignete Dächer, die Bürgerlichen Offenheit für Technologie, speziell für AKW. Warum einigt man sich nicht auf – beides? Zu warten, bis sich das eine oder andere Lager durchsetzt, dauert viel zu lange. Glaubt man Branchenkennern, muss sowieso jede Technologie liefern, was sie kann. Und davon so viel wie möglich. Wer Blockaden lösen will, braucht Mut zur Rede in den Papierkorb. Einen freien Geist, der auch absonderliche, unrealistische, skurrile Ideen zulässt. Gedanken, die in kein Parteiprogramm passen.“
Und hier geht es wieder sonntäglich spitzfindig zu.
#PreppoKompakt
Man kann sich fragen, ob wir eigentlich in eine schlechte Theatervorstellung hinein geraten sind. Der Zusammenprall der Kulturen bei den Grünen besitzt eine gewisse Tragikomik. Einen dritten Konfliktherd haben die Grünen übrigens souverän gelöst, wenn auch begleitet von entsprechenden Mitgliederverlusten. Denn der Natur- und Artenschutz zieht regelmäßig – in Zukunft wohl noch verstärkt – den Kürzeren, wenn es um die industrielle Windenergieerzeugung in unseren Wäldern geht.