Kryptos in Aufruhr

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Nachdem lange das Zutrauen dominierte, erhalten auch die Kryptowährungen samt Handelsplattformen einen gewaltigen Dämpfer. Die mehrfach von exzentrischen Unternehmerpersönlichkeiten vorangetriebenen Entwicklungen wurden im vergangenen November kräftig gestutzt. Weit über das Maß hinaus, dass das traditionelle Börsengeschäft unter anderem infolge des Krieges in der Ukraine zu verkraften hatte. Kryptos in Aufruhr – wohin führt das? Prognosen waren, sind und bleiben schwierig.

Kryptos in Aufruhr

Der Krypto-Hype

Schon vor einem Jahr titelte Christof Leisinger „Krypto – ohne vernünftige Regulierung droht das Chaos“. In der NZZ vom 16.12.2021 (hinter Schranke) beschrieb er den Beginn des Hypes mit einem ersten Zwischenhoch am 3. November 2013 – Bitcoin-Kurs über 1000 Dollar – und dem Rekordhoch am 9. November 2021 – Bitcoin über 60.000 Dollar.

Kryptowährungen – den Anfang machte der Bitcoin – seien entstanden, um ein dezentrales Geldsystem abseits staatlicher Kontrolle zu schaffen. „Neuerdings droht die Szene allerdings Opfer ihres eigenen Erfolgs zu werden, weil sie zu gross geworden ist und sich zu stark mit dem traditionellen Finanzsystem verflochten hat, um weiter durch die Maschen der Aufsichtsbehörden zu fallen.“ Die Aufgabe der Aufsichtsbehörden ist, die Nutzung der Kryptos zur Geldwäsche, Steuerhinterziehung oder Cybererpressung zu verhindern, Anlagebetrug zu bekämpfen und systemischen Risiken vorzubeugen. „Daran müssen sie sich messen lassen, denn sonst schaffen sich die Freigeister weiter ihre eigenen Regeln.“

Kryptos in Aufruhr – Folgen der FTX-Pleite

Nur ein gutes Jahr später kriecht, wie die NZZ vom 1.12.2022 (hinter Schranke) berichtet, der 30jährige Gründer der insolventen Kryptobörse FXT- Sam Bankman-Fried, genannt SBF – zu Kreuze. Zugeschaltet aus den Bahamas, dem Hauptsitz seiner Handelsplattform für Digitalwährungen, erklärt er am Mittwoch (30.11.) Konferenzteilnehmern in New York, er habe nie versucht, jemanden zu betrügen. Er sei schockiert und schäme sich für dieses komplette Versagen.

In den USA laufen Ermittlungen und Sammelklagen gegen SBF, der beteuert, dass FTX genug Geld habe, die Kunden in den USA auszuzahlen. „Er selber verfüge jedoch nur noch über ein Bankkonto mit rund 100 000 Dollar. Vor der Pleite taxierten Forbes und Bloomberg sein Vermögen zeitweise auf über 26 Milliarden Dollar.“ So die NZZ, die nicht nur die aktuelle Entwicklung in ihren Verästelungen sauber dokumentiert, sondern auch eine gediegene Antwort auf die Frage zu geben wagt, wie es zu den großen Schockwellen bei den derzeit rund 10 000 Kryptoanlagen kam.

„Für den Wertzerfall gibt es mehrere Gründe. Wichtig ist die Zinswende der Notenbanken. Wenn die Zinsen steigen, schichten viele Anleger ihr Portfolio um. Sie trennen sich tendenziell von risikoreichen Instrumenten wie Kryptowährungen und setzen vermehrt auf sicherere Anlagen wie beispielsweise Anleihen. Denn jetzt lässt sich auch mit verzinsten Wertpapieren Geld verdienen. Demgegenüber werfen Digitalanlagen keine laufenden Erträge ab. Dazu kommen der Ukraine-Krieg und die Corona-Krise in China, die nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft für erhebliche Verunsicherung sorgen. Die politische und die ökonomische Unsicherheit führen zu einer wachsenden Risikoaversion der Anleger. Es zeigt sich, dass die Ausverkaufsstimmung an den Kapitalmärkten die Kryptowährungen besonders heftig trifft.“

Gemeinsam ertrug man es – zunächst – und schwieg. Die normalen Aktien-Portfolios haben seit Putins Einmarsch in der Ukraine rund ein Viertel ihres Wertes eingebüßt, die Krypto-Engagements weitaus mehr. Der Bitcoin beispielsweise steht gegenwärtig – also nur eine Momentaufnahme – bei rund 17.100 Dollar bzw. 16.300 Euro (siehe finanzen.net).

Risikobereitschaft unterschiedlich hoch

Nochmals die NZZ vom 1.12.2022: „Prognosen bei Kryptowährungen sind schwierig bis unmöglich. Voraussagen sind oft nur Ausdruck eines Bauchgefühls. Investitionen gleichen damit dem Einsatz beim Roulette. Für die meisten Anleger dürfte die Faustregel gelten, nur so viel Geld zu investieren, wie sie bereit sind, im Extremfall als Totalverlust in Kauf zu nehmen.“

Eine Sparte hat da offensichtlich – wie faz-net schon am 21.11.2022 zu berichten wußte – ganz andere Maßstäbe angelegt: Die Rede ist von US-amerikanischen Sportverantwortlichen, die sich mit der Krypto-Welt auf Deals eingelassen haben. So in Los Angeles, wo die NBA-Teams LA Lakers und LA Clippers sowie der Eishockey-Franchise LA Kings seit diesem Jahr ihre Heimspiele in der „crypto.com Arena“ austragen. Selbst bei der FIFA-WM in Katar ist diese Bandenwerbung noch zu sehen.

Schon im August hat eine Anwaltskanzlei in Florida Klage gegen die Dallas Mavericks – ein weiteres NBA-Team – und ihren Eigentümer Mark Cuban eingereicht. „Im Zentrum dieser Anschuldigungen steht die auf Krypto-Geschäfte spezialisierte Firma Voyager Digital, die im Juli Konkurs anmeldete und einen Hedgefonds mit sich riss. Investoren haben Berichten zufolge … fünf Milliarden Euro versenkt.“

Bei Voyager und FTX – so Cuban – habe „jemand eine Firma gemanagt, der so doof ist wie Bohnenstroh und gierig“. Die Branche bräuchte dringend strikte Regeln. Zustimmung erhält er von US-Finanzministerin Janet Yellen, die angesichts der Insolvenzen „die Notwendigkeit einer effektiveren Aufsicht über die Kryptowährungsmärkte“ erkennt. Womit wir wieder bei der eingangs zitierten (Vor)aussage von Christof Leisinger wären.

Verlorene Zeit

Eine interessante Erklärung für die „verlorenen“ zwölf Monate liefert DerStandard vom 21.11.2022. Die bisherigen Regulierungsversuche gegenüber der Krypto-Branche in den USA seien „sanft“ ausgefallen, auch weil SBF der sechstgrößte politische Spender ist. Im Vorfeld der Midterm-Wahlen habe er 39,7 Millionen und davon ganze 38 Millionen Dollar an die Demokraten gespendet. Schon Joe Biden hatte im Wahlkampf 2020 auf rund fünf Millionen Dollar von Sam Bankman-Fried zählen können.

Dafür ist man in der Europäischen Union bereits weiter. Es existiert ein Regelwerk mit dem Namen „Markets in Crypto Assets“ (MiCA) das Ende 2023 in Kraft treten soll. Unternehmen, die Kryptowährungen emittieren und verkaufen benötigen die Lizenz einer Aufsichtsbehörde des entsprechenden EU-Landes, zudem sind strengere Regeln für Stablecoins und Non-Fungible Tokens vorgesehen.

El Salvador und Krypto – Chinas Hilfsangebot

Am 20.11.2022 berichtet ORF.at darüber, dass zeitgleich mit der FTX-Insolvenzanmeldung, der Präsident von El Salvador, Nayib Bukele, ein Freihandelsabkommen mit China ankündigt hat.

Wir hatten hier schon über den ungewöhnlichen Weg des zentralamerikanischen Landes mit Bitcoin als gesetzlichem Zahlungsmittel geschrieben. Die präsidiale Hoffnung war, dadurch Wirtschaftswachstum und viele neue Arbeitsplätze generieren zu können. Dazu setzt die Regierung – neben dem US-Dollar – seit über einem Jahr auf die Kryptowährung, obwohl der Internationale Währungsfonds (IWF) wegen heftiger Kursschwankungen dringend davon abgeraten hatte. Die jüngsten Turbulenzen geben dem IWF recht, die Verwendung des Bitcoin hat sich nach Ansicht von Fachleuten in El Salvador nicht durchgesetzt.

Zu Beginn dieses Jahres hielt Bukele noch einen Bitcoin-Kurs von 100.000 Dollar für möglich. Bei der Einführung am 7. September 2021 als gesetzliches Zahlungsmittel, lag der Wert der Kryptowährung bei fast 47.000 Dollar. Und heute bei 17.100 Dollar – welch bittere Lektion!

Und wenn man so will, ein gefundenes Fressen für China. „Dass China weiterhin als wichtigster Kreditgeber für viele Entwicklungsländer auftrete, sei … Teil eines breiteren strategischen Wettbewerbs mit den USA um globalen Einfluss. Die USA haben Chinas Kreditvergabemodell bereits mehrmals als ‚Schuldenfalle‘ bezeichnet, was Peking vehement zurückwies.“ So die Wertung im ORF.

Und hier rollt der Ball zur nächsten Pleite.

#PreppoKompakt

Laut der NZZ vom 29.11.2022 ist das FTX-Debakel jetzt eingepreist, die weitere Bereinigung finde auf der Ebene der Handelsplattformen statt. Dass im Gefolge die Kryptoleitwährungen Bitcoin und Ethereum an Wert eingebüßt haben, sei naheliegend. „Seit Monatsmitte konnten sie sich jedoch – begleitet von hoher Volatilität – etwas stabilisieren. Einzelne Währungen steigen sogar wieder. Dogecoin etwa hat sich in der vergangenen Woche um ein Viertel verteuert, auch der Litecoin legte zu.“

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