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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.
Um Denkanstösse zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!
Vorbemerkung
Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.
Heute schauen wir gemeinsam nach, wie die Politikberatung arbeitet und uns das öffentlich-rechtliche Fernsehen informiert, beziehungsweise unterhält. Aber auch wie – der heutigen Bundestagswahl geschuldet – unterhaltsam die sogenannten Triellen waren.
1. Spitz-findig-keit
Gängige Praxis in der deutschen Politikberatung
Wissenschaftliche Beiräte setzen sich – so Peter Heller – vollständig (wie die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI); der Expertenrat für Klimafragen beim UBA; der Sachverständigenrat für Umweltfragen SRU; der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen WBGU) oder mehrheitlich aus Angestellten staatlich finanzierter Hochschul- oder Forschungseinrichtungen zusammen (22 von 24 Mitgliedern des Deutschen Ethikrates). Auch in den ökonomisch orientierten Gremien verfügen die Wissenschaftler des öffentlichen Dienstes über eine Mehrheit (im Bioökonomierat 12 von 20, in der Datenethikkommission 10 von 16, im Digitalrat fünf von neun, das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) wird von zwei aus öffentlichen Mitteln finanzierten Instituten federführend betrieben).
In solche Gremien berufen zu werden wirkt wie ein modernes Adelsprädikat.
Abhängigkeitsverhältnis ein gravierender Schwachpunkt
„Es beraten also die staatlich alimentierten jene, von denen sie alimentiert werden. Eine Abhängigkeit, die erstere nicht gerade dazu motiviert, die Wünsche und Vorgaben letzterer mit der doch eigentlich gebotenen Skepsis zu betrachten. Sondern diese vielmehr zum eigenen Vorteil in geeignete Bahnen zu lenken.“
Wissenschaftler sind eben auch nur Menschen – und aufstrebende Politiker in der Regel sehr machtbewußt – jeweils beiderlei Geschlechts.
Wissenschaft kann und sollte …
Was Not tut ist eine „… Beratung durch Wissenschaftler, die sich nicht als Diener und Wasserträger der Mächtigen verstehen, sondern deren Ideen und Vorstellungen kritisch und skeptisch hinterfragen.
Wissenschaft kann und sollte Risiken aufzeigen. Dies gilt jedoch für den Klimawandel ebenso, wie für die Ideen zu dessen Eindämmung, dies gilt für eine Pandemie ebenso, wie für die Konzepte zu deren Bekämpfung. Wissenschaft kann und sollte auf diesem Weg einen ergebnisoffenen Diskurs ermöglichen, an dessen Ende jeder selbst zu entscheiden vermag, welche Risiken er einzugehen bereit ist und welche nicht.
Wissenschaft kann und sollte Optionen aufzeigen, ob Impfung oder Medikament, ob Wasserstoffnutzung oder Geothermie, ob Batterie- oder Brennstoffzellenfahrzeuge. Aber deren Erzwingung einseitig argumentativ unterfüttern kann und darf sie nicht.
Wissenschaft kann und sollte aufklären. Ihren Adressaten vom Bürger bis zum Kanzler zur Mündigkeit zu verhelfen, mithin zum Gebrauch des eigenen Verstandes zu ertüchtigen, ist schon immer ihre primäre gesellschaftliche Funktion. Um dieser weiterhin nachzukommen, braucht es Wissenschaftler, die sich als kreative Komponisten verstehen und gerade nicht solche, die sich die Position des lenkenden Dirigenten anmaßen.“
Glasklare Aussagen von Peter Heller auf Tichys Einblick vom 19.9.2021. Spitzfindigkeit vom Feinsten!
2. Spitz-findig-keit
Die Rolle des öffentlich-rechtlichen Fernsehens hat Gerhard Stadelmaier in der NZZ vom 23.1.2021 aufgespießt (hinter Schranke). Dort wurde sein Buch „Deutschlandglotzen. Ganze Tage vor den Fernseher„* besprochen, das der „emeritierte“ Theaterkritiker der FAZ in seinem Ruhestand verfaßt und der Zu Klampen-Verlag, Springe 2020, herausgebracht hat. Dabei kann es gar nicht sein, dass jemand mit so von Sprache und Bildern verwöhnten Sinnen ungeschoren davon kommt. Sein großer Vorteil sicherlich, dass er z.B. mit Ibsen, Schiller und Shakespeare klassische Alternativen zum Glotzen hat. Er deshalb sein „Experiment“ keinesfalls zwangshaft fortführen muss. Den vielen „gewöhnlichen“ Dauerkonsumenten bleibt dies nicht erspart, ebensowenig wie man sich der monatlichen Rundfunkgebühr/Zwangsabgabe entziehen kann – leider.
Eine „… auf Präzision geeichte technische Maschinerie, die dann doch nur das Hohle und Banale, die Duzerei und Anbiederung, die Missachtung jeglicher Intimität, Warn-Mantras in der Werbung (‚Zu Risiken und Nebenwirkungen …‘), den inszenierten Streit und das ewige Wiederkäuen längst bekannter Tatsachen hervorbringt. Die Diskussionsrunden nennt Stadelmaier Stuhlkreise, die Moderatorinnen Gouvernantentanten, … wo es hart und fair zugehen sollte, ist nur eine ‚Mitmachveranstaltung‘ mit Offenbarungs- und Bekenntniszwang zu beobachten … . … Infotainment mit einem Informationsgehalt, der gegen null tendiere …“.
Und dann bricht Gerhard Stadelmaier doch noch eine Lanze fürs Fernsehen, speziell die Vorabendserien. Im OP-Saal, im Hotel oder in der geschönten Natur werde „… das Versprechen, das pure Leben mit Fallhöhen und Abgründen, mit Wahrheit und längst Geahntem zu zeigen, viel ehrlicher eingelöst … .“ Hält Bernd Noack in der NZZ fest.
3. Spitz-findig-keit
Zur heutigen Bundestagswahl passend der Kommentar von Jasper von Altenbockum zu den drei Triellen (von uns hier “Comédie à Triell” getauft). Auf faz-net vom 20.9.2021 (hinter Schranke) beschreibt er zu recht das Ganze als Politik im Comic-Format. „Erfährt man in den Triellen wirklich, wer vertrauenswürdig, wer wählbar, wer kanzlertauglich ist? Nicht ansatzweise. Man erfährt nur, welches Zirkuspferd sein Wahlprogramm am besten verkauft.“ Ist es also ein “Cirque à Triell”, in dessen Rund nicht zur Sprache kam, wofür alle drei Kanzler-Kandidaten und -innen Verantwortung tragen. Nämlich die Aufblähung des Bundestages, der zunehmend einem Selbstbedienungsladen für die dort vertretenen Parteien gleicht.
Eindeutig und klar dazu die Einschätzung von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt (1918 – 2015), wie von Focus-Online unter dem Datum vom 1.3.2016 festgehalten (die ältesten der 54 Leser-Kommentare reichen bis Oktober 2009 zurück): „Schmidt kritisierte auch die Einstellung zahlreicher Politiker, die sich zu wenig um das Gemeinwohl kümmerten. ‚Die Politiker sind zum Dienst am öffentlichen Wohl berufen – dazu sind sie gewählt.‘ Manche gingen aber heutzutage in die Politik ‚um was zu werden, oder was zu sein. Heute gibt es zu viele, die vor allem Karriere machen wollen‘, kritisierte der SPD-Politiker. Dazu trage auch das ‚Riesenparlament mit 600 Abgeordneten‘ und das Wahlrecht bei, das eine positive Auslese erschwere. ‚300 in Wahlkreisen direkt gewählte Abgeordnete würden völlig genügen‘.“
Man darf gespannt sein, wieviel Abgeordnete es mit den Überhang- und Ausgleichsmandaten am Ende des Tages sein werden. Auf jeden Fall viel zu viele. Diese zudem mit enormen Steuermitteln zu bezahlende „Inflationierung“, sprich Entwertung des einzelnen Bundestagsmandats, tut weh. Eine verpasste Chance, nicht nur in den (geschlossenen) Augen von „Schmidt-Schnauze“ – einhergehend mit einem weiteren Ansehens- und Vertrauensverlust unserer Parlamentarier.
Und hier geht es in die Kryptowelt.
#PreppoKompakt
Klare Gedanken, klare Worte, wie vom Hamburger Helmut Schmidt lebenslang praktiziert. Da schrumpft sein hanseatischer Parteigenosse Olaf Scholz auf die Maße einer Comic-Figur zusammen. Aber nicht nur der, wie von Jasper von Altenbockum richtig antizipiert. Wie beschrieben bildet auch Politikberatung da kein ernsthaftes Gegengewicht. Eher noch das öffentlich-rechtliche Fernsehen, indem es – entgegen seinem Bildungsauftrag – rund um die Uhr weiter kräftig Untenhaltungsprogramme ausstrahlt. Das heißt, wir werden eingelullt und gewöhnen uns mehr und mehr an das sinkende Niveau in den politischen Prozessen der Bundesrepublik Deutschland.
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