Spitz-findig-keit #88

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Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitz-findig-keit #88

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Wir aber nehmen uns die Sparsamkeit als Thema vor: Energiesparen ist in aller Munde, der vernünftige Umgang mit Geld natürlich nicht weniger wichtig. Damit befinden wir uns auf dem Terrain des Bundes der Steuerzahler (BdSt), dessen Aktivitäten wir kürzlich hier gewürdigt hatten. Von einem Bücherschrank gelangen wir leicht zum Lesen, etwas hochgestochener formuliert zur Literatur und darüber wiederum zur Betrachtung unserer Muttersprache.

1. Spitz-findig-keit

Sehenswerter „Atlas der Steuergeldverschwendung“ des BdSt. Die gute Nachricht: bei der Suche nach Fällen in unserer Nachbarschaft im Umkreis von 30 km nur ein einziger Fall. Die Mössinger haben sich mit einem gediegenen Bücherschrank für Riesen am 19.10.2022 im Atlas „verewigt“, wie von Daniel Bilaniuk hier beschrieben und im Bild festgehalten.

„Die Idee des Mössinger Rathauses ist verständlich: Ein in der zen­trumsnahen Bahnhofstraße aufgestellter Bücherschrank sollte ‚ein zusätzliches Angebot von Lesestoff für Bürgerinnen und Bürger‘ sein. Weniger gut war dann allerdings die Planung. Und so sorgt der 15.000 Euro teure Schrank, der aus dem städtischen Haushalt im Rahmen der Innenstadtentwicklung finanziert wurde, für einiges Kopfschütteln.“

Denn es wurde schlichtweg übersehen, dass der auf einem 40 cm hohen Betonsockel installierte Schrank mit 2 Meter 60 auf eine Höhe kommt, die die oberen Regale für Menschen durchschnittlicher Körpergröße, die ohne Leiter in Mössingen unterwegs sind, unerreichbar macht. Immerhin hat die Stadt ihren Fehler offen eingestanden – blieb ihr auch nichts anderes übrig.

Und nun kann Mann/Frau selbständig weitermachen – einfach hier die eigene Postleitzahl eingeben und sich überraschen lassen. Wie sparsam oder wie verschwenderisch gehen Kommunen, das Land und auch der Bund mit unseren Steuergeldern um?

2. Spitz-findig-keit

Letzten Sonntagabend besuchte meine Freundin L. die gut angenommene Eröffnungsgala der Albstädter Literaturtage – hier vom ZAK tags darauf beschrieben und besprochen. Es fiel ihr auf, dass nur wenige Menschen mit Migrationshintergrund – wie sie selbst – anwesend und auch junge Menschen eher „Mangelware“ waren. Dabei bieten die Literaturtage unter dem Motto „Zu(m) Wort kommen“ noch bis zum 29. November ein umfängliches, vielseitiges Programm für Jedermann.

Martin Roscher, der verantwortliche Kulturamtsleiter – übrigens der „Vater“ der Premium Traufgänge, niemand kennt die Mutter – sagte im SWR Aktuell-Interview am 13. November, er sei gespannt auf die Resonanz, nachdem in der Vor-Coronna-Zeit der Zulauf mit etwa 8.000 Besucherinnen und Besuchern sehr gut gewesen sei. Sie seien gespannt und freuten sich „… über jeden und jede die kommen.“

Begeistert war sie von Rufus Beck, der aus Mark Twains Buch Die schreckliche deutsche Sprache vorlas. Eigentlich kein Vorlesen, denn er vermittle das Gefühl, dieses Buch, oder zumindest Passagen, auswendig zu können. Der Typ – so L. – sei abgefahren, ebenso wie Mark Twain, der Recht habe. Dem sei bereits 1880 klar gewesen, dass die deutsche Sprache wirklich schwer ist: Englisch könne man, sofern begabt, in 30 Tagen, Französisch immerhin in 30 Monaten lernen, aber für Deutsch benötige man 30 Jahre. Diese Veranstaltung habe sie dazu motiviert, wieder ein wenig mehr lesen zu wollen.

Genau darum werden, Land auf Land ab, Literaturtage veranstaltet. So letzten Oktober in Karlsruhe, gegenwärtig in Todtnauberg sowie in Villingen-Schwenningen, wo die 39. Ausgabe der „Literaturtage Baden-Württemberg“ läuft. Seit 1983 werden diese mit Mitteln des Landes gefördert. In der 24. Ausgabe im Jahre 2007 mit dem Motto „Verstrickt und versponnen“ haben übrigens die Albstädter Literaturtage ihren Ursprung.

3. Spitz-findig-keit

Zwei Anmerkungen zur deutschen Sprache aus dem Infobrief des Vereins Deutsche Sprache e.V. (VDS) vom 13. November 2022. Die erste passend zu Mark Twain, der in einer Rede in Wien am 21. November 1897 – vor fast auf den Tag genau 125 Jahren – „… einige ironische Vorschläge zur Verbesserung und Vereinfachung …“ gemacht und damit seine ernsthafte Liebe der deutschen Sprache mit einer humorvoll-überzeichneten Ablehnung kombiniert hat.

Erstens – Sprach-Gewürze

Bei der wöchentlichen Kolumne „Deutschstunde“ von Peter Schmachthagen im Hamburger Abendblatt geht es ebenfalls um die Liebe zur Sprache. Sie sei kein fader Eintopf, man könne sie mit Stilfiguren, Floskeln, Redensarten und Sprichwörtern würzen, ihr den letzten „Pfiff“ geben, wie es die Gewürze beim Essen tun. „Deutsch muss man nicht nur verstehen, Deutsch muss man auch fühlen können“, so Schmachthagen.

Zweitens – Thüringer Landtag lehnt das Gendern ab

In Thüringen werden der Landtag und die Landesregierung in ihrer öffentlichen Kommunikation nicht mehr gendern. Die oppositionelle CDU-Fraktion hatte den Antrag, der mit 38 zu 36 Stimmen eine knappe Mehrheit fand, vorgelegt.

„Der CDU-Abgeordnete Christoph Zippel begründete diesen Schritt damit, dass das Gendern ein ‚Eliteprojekt einer kleinen Minderheit‘ sei. Da die Mehrheit der Deutschen das Gendern ablehne, sehe man keinen Grund für eine sprachliche Bevormundung.“ Den Regierungsparteien Linke, SPD und Grüne – sie haben im Landtag in Erfurt nur 32 von 90 Sitzen – gefiel das naturgemäß nicht. Von 86 zu Sitzungsbeginn Anwesenden haben 74 abgestimmt, davon waren eben 38 für und 36 gegen den CDU-Antrag (siehe auf YouTube ab 6:50 die Ergebnisbekanntgabe).

Dazu passend: Drittens – in Cambridge lehrt/lernt man Gendern

Dafür bietet die Universität Cambridge gegendertes Deutsch an. Darüber berichtet in faz-net vom 14.11.2022 Gina Thomas, Feuilletonkorrespondentin mit Sitz in London, versehen mit bissigem Kommentar.

Die Universität glaube, Bewerber ködern zu können, indem sie sich als progressiv anpreist und Wokeness als Teil ihrer Marktstrategie einsetzt. So hebt die Abteilung für Deutsch der „Fakultät für moderne und mittelalterliche Sprachen“ ihre geschlechtergerechte Sprachpolitik hervor. „Die Website verkündet unter dem Titel ‚Inklusive Sprache‘, dass es im Unterricht und in Arbeitsblättern sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch Ziel sei, ‚gender- und nicht-binär-inklusive‘ Anreden in Wort und Schrift zu verwenden.“

Welche Hemmnisse grammatikalische Strukturen der Inklusivität in den Weg legen, wird allen Ernstes anhand eines Satzes von Angela Merkel aufgezeigt, die das herkömmlich generische Maskulinum verwendet: „Das Volk ist jeder, der in diesem Land lebt.“ Ja, das typische Geschwurbel unserer Kanzlerin a.D. lebt noch immer im kollektiven Gedächtnis.

Doch auch eine inklusive Sprache führt zu kräftigen Verrenkungen, wenn – wie an einer Stelle empfohlen – „… auch im Deutschen das genderneutrale englische ‚they‘ angewandt wird, wie in ‚They macht sich selbst their ­Haare.‘ Will Cambridge etwa eine Generation von Filser-Englisch sprechenden Studenten heranbilden?“ fragt sich und uns Gina Thomas.

Beim Filser-Englisch handelt es sich um die grauenhafte, unbeholfene und natürlich falsche Weise der Übertragung vom Deutschen ins Englische. „Der Ausdruck basiert auf Ludwig Thomas erfundener Figur des bayerischen Landtagsabgeordneten Josef Filser, der im abenteuerlichen bayerisch-deutsch Briefe und Erinnerungen aufschrieb.“ So hier, versehen mit weiteren wunderbaren Beispielen, nachzulesen.

Und hier rollen wir einfach weiter.

#PreppoKompakt

Dazu fällt mir nur noch der dumme Spruch ein: Dann geht doch nach Drüben/Cambridge!

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