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Spitz-findig-keit #131

6 minutes

Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitzfindigkeiten zuhauf!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute dominiert dafür wieder ganz eindeutig die Musik, konkret die englischsprachige. Dabei fangen wir auf der Insel an, von der wir bereits in der #89 (ebenfalls mit japanischer Beteiligung) und der #100 berichtet, ja geschwärmt haben. Ganz am Ende landen wir in den Weiten von Virginia.

1. Spitz-findig-keit

Wer sich die „Last Night of the Proms 2023“ am 9. September live angesehen hat, der hatte zudem einen ganz entscheidenden Vorteil. Denn ihm/ihr blieb ganz sicher das „Trauer“spiel unserer Fußballnationalmannschaft gegen Japan, die nunmehr der Vergangenheit angehörende „Flick“schusterei erspart. Die Übertragung aus der Royal Albert Hall auf 3sat kann noch in der Mediathek in voller Länge, gleich drei Stunden und 11 Minuten, bewundert und genossen werden. Allerdings nur bis zum 8. Oktober 2023.

Das BBC Symphony Orchestra unter Leitung der US-Amerikanerin Marin Alsop – übrigens in 2013 die erste Dirigentin in der rund achtzigjährigen Geschichte der Last Night, nun schon ihr drittes Mal -, die beiden Solisten Sheku Kanneh-Mason am Cello und Lise Davidsen in der Sopranstimme sowie der Symphony Chorus und die BBC Singers gaben der Halle ihren vollen Klang. Die zum Ausdruck gebrachte Freude, ja der Enthusiasmus der Zuschauerinnen und Zuschauer war wohl besonders ausgeprägt, weil die Veranstaltung letztes Jahr aufgrund des Todes von Queen Elizabeth II abgesagt werden musste. Neu in diesem Jahr war deshalb mit „God save the King“ auch das Schlüsselwort der aus rund 6000 Kehlen gesungenen Nationalhymne. Man muss es einfach erlebt haben, wenn nicht richtig vor Ort in Kensington, dann wenigstens am heimischen Bildschirm. Deshalb den 14. September 2024 schon einmal vormerken.

2. Spitz-findig-keit

Die NZZ vom 11.9.2023 (hinter Schranke) erinnert an den 20. Todestag von Johnny Cash, der am 12. September 2003 im Alter von 71 Jahren im Baptist Hospital in Nashville/Tennessee an Lungenversagen gestorben ist. Das musikalische Spektrum des gläubigen Christen/frommen Baptisten reichte von den 1950er Jahren mit Country, Gospel, Rockabilly, Blues, Folk und Pop bis hin zum Alternative Country am Beginn des 21. Jahrhunderts.

„Dann verdunkelten sich nach der Jahrhundertwende gleichzeitig Johnny Cashs Welt und seine Existenz; seine düsteren Elegien erschienen rückblickend wie ein böses Omen. Terroranschläge erschütterten das gelobte Land Amerika. Johnny Cash, der seine Gesundheit lange durch Alkohol und andere Gifte strapaziert hatte, wurde immer mehr von Asthma und Parkinson-ähnlichen Leiden geplagt. Und als im Mai 2003 seine geliebte Gattin June gestorben war, blieb ihm angesichts des eigenen Todes nur die Zwiesprache mit seinem Jesus.“ So Ueli Bernays in der NZZ.

Weiter: Johnny Cash hatte es von ganz unten nach ganz oben geschafft. Und „… er blieb den einfachen Leuten treu mit seinen einfachen Liedern, der brummenden Bruststimme, dem festen, baptistischen Glauben … . Als Singer/Songwriter setzte sich Cash für die Opfer und die Verlierer, für die Erniedrigten und Ausgestossenen ein. Das unterstreichen seine Konzertaufnahmen aus Gefängnissen ebenso wie seine den Ureinwohnern oder den Kriegsveteranen gewidmeten Lieder.“

3. Spitz-findig-keit

Geschichte der Country Music

Die Geschichte der Country Music – von ihren Anfängen in den frühen 1920er Jahren bis 1996 – ist in neun Folgen auf ARTE anzuschauen und anzuhören. In der #52 haben wir auf ein Konzert aus Nashville (in zwei Teilen) hingewiesen, in dem sehr komprimiert diese staunenswerte Geschichte erzählt und mit vielen Protagonisten dargeboten wird. Die auf ARTE nun bis zum 29.10.2024 verfügbare Serie, je Folge etwa 53 Minuten lang – hier die erste Episode, hier die neunte – stellt dies gekonnt im Detail dar. Auch Johnny Cash kommt selbstverständlich ausgiebig darin vor. Natürlich auch Loretta Lynn, Chris Christoffersen, Charley Pride und, und, und.

Aktuelle Country Music

Eine aktuelle Seite in der Country Music, jedoch ihrem Ursprung und Wesen voll entsprechend, wurde im August 2023 von Oliver Anthony aus Farmville in Virginia aufgeschlagen. Der rothaarige, vollbärtige Hobby-Gitarrist sang solo im tiefen Wald, seine Hunde zu füßen, laut faz-net vom 13.9.2023 (hinter Schranke), „… die neue Hymne der amerikanischen Arbeiterklasse. Sie handelt von schlechten Löhnen, Hoffnungslosigkeit und abgehobenen Politikern. … Es geht … um Arbeiten bis zum Umfallen, um Geld, das nichts mehr wert ist, und Reiche, die alles kontrollieren wollen.“ „Rich Men North of Richmond“, so der rund drei Minuten lange Titel, ging im ganzen Land viral durch die Decke, wurde bei YouTube innerhalb von vier Wochen 65 Millionen mal aufgerufen.

Richmond ist die Hauptstadt von Virginia, nördlich davon liegt Washington D.C., „… mit dem Weißen Haus als Amts- und Wohnsitz des Präsidenten und dem Kapitol, das den Kongress (bestehend aus Senat und Repräsentantenhaus) beherbergt …“, nur drei Autostunden von Farmville entfernt. „Es war ein Bilderbuchaufstieg, der durch das heftige Werben republikanischer Politiker und rechtskonservativer Medien noch verstärkt wurde.“ So Sofia Dreisbach, die politische Korrespondentin der FAZ für Nordamerika mit Sitz in Washington.

Und hier geht es weiter – zurück nach Deutschland.

#PreppoKompakt

Was geht uns das alles an, könnte Mann/Frau denken, Berlin ist nicht Washington. Aber der Eindruck, dass wir es mit einem zunehmend abgehobenen, sich um die eigene Achse drehenden, den normalen Bürger aus den Augen verlierenden „Selbstbedienungsladen“ zu tun haben, drängt sich immer mehr auf. Da kann der Spruch des römischen Philosophen Seneca, an den sich laut FAZ der Bürgermeister von Farmville hält, durchaus hilfreich sein: „Regieren bedeutet dienen, nicht herrschen“.

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