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Spitz-findig-keit #134

12 minutes

Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Spitzfindigkeiten zuhauf!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute haben wir dafür Gedanken zum Tag der Deutschen Einheit umrahmt mit der immer mehr in Fahrt kommenden Künstlichen Intelligenz (KI) und einer eindrücklichen Darbietung klassischen Balletts in zeitgemäßer Verpackung.

1. Spitz-findig-keit

Was macht die KI in ihren unterschiedlichen Ausprägungen mit uns – während, nach der Arbeit und überhaupt? Diesen Fragen wird in der NZZ vom 2.10.2023 im Interview mit dem Wirtschaftspsychologen Tomas Chamorro nachgegangen, einem gebürtigen Argentinier, der lange in London gearbeitet hat und nun in Rom lebt.

Können wir Menschen uns gegen die KI/AI (Artifizielle Intelligenz) behaupten?

„Künstliche Intelligenzen agieren sehr regelgebunden. Eine korrekte Antwort ist aber häufig weder sehr gut noch sehr innovativ. Der Mensch kann hingegen mit echter Expertise über die alte Regel hinauswachsen. … Was vorhersehbar ist, lässt sich standardisieren und dann automatisieren. Bei automatisierten Tätigkeiten verliert der Mensch gegen die Maschine. Google ist so erfolgreich, weil uns das Unternehmen überzeugt hat, dass es das Verhalten der Konsumenten prognostizieren kann. Gleichzeitig braucht die AI uns mehr denn je. Je vorhersehbarer wir agieren, desto besser kann sie mit uns Geld verdienen. Menschen sind zum Glück gut darin, Neues zu schaffen.“

Was tun, gegen die ständige Ablenkung?

„In Umfragen sagen 70 Prozent der Arbeitnehmer, dass sie durch das Smartphone abgelenkt werden. Man wird immer wieder aus der laufenden Tätigkeit herausgerissen, springt hin und her. Unsere geistigen Fähigkeiten reduzieren sich dadurch im Ausmass von zehn IQ-Punkten. 60 bis 85 Prozent der Smartphone-Nutzung geschieht während der Arbeitszeit. Irgendwann kommt der Punkt, an dem wir am meisten gewinnen, wenn wir die Technologie ignorieren.“

Was machen Sie persönlich dagegen?

„Darin bin ich sehr schlecht. Sagen Sie einem Alkoholiker, er solle auf Alkohol verzichten . . . Ich bin abhängig (lacht). Nein, im Ernst: Man muss Selbstwahrnehmung entwickeln und sich Selbstdisziplin abringen. Ich plane inzwischen bewusst Offline-Zeiten ein, die ich als ‚Denkfenster‘ nutze.“

Und die Entwicklung geht rasant weiter!

Am 4.10.2023 legt die NZZ mit einem Bericht (hinter Schranke) über Masayoshi Son nach, einer 66-jährigen japanischen Unternehmer- und Investorenlegende. Dieser sagt den Aufstieg einer übermenschlichen Superintelligenz (AGI, artificial general intelligence) in den nächsten zehn Jahren voraus. „Diese allgemeine künstliche Intelligenz gilt bislang als der heilige Gral der künstlichen Intelligenz (KI) überhaupt. Es handelt sich dabei um eine Maschinenintelligenz, die die geistigen Fähigkeiten jedes Menschen übertrifft. … Denn AGI ist für ihn mindestens zehnmal so intelligent wie die Summe aller Menschen. In 20 Jahren erwartet er dann eine künstliche Superintelligenz, die die kollektive menschliche Weisheit um das 10 000-Fache übertrifft.“

„Son prognostiziert dabei grosse Veränderungen für die Gesellschaft, Unternehmen und Menschen. Auch er sieht dabei Gefahren und plädiert für staatliche Regeln, um KI in Bahnen zu lenken. Das intellektuelle Kräfteverhältnis zwischen Mensch und künstlicher Superintelligenz veranschaulicht er mit dem Bild eines Goldfisches in einem Glas. Dem Goldfisch könne man das Abc nicht beibringen. So ähnlich werde es in zwanzig Jahren den Menschen gehen. Die Systeme würden zur Blackbox, die Menschen nicht mehr nachvollziehen könnten.“

Wie viele KI-Experten warnt auch er vor den Risiken, bis hin zur Auslöschung der Menschheit, beschwört aber dennoch eine positive Zukunft mit der AGI als Partner. Die menschliche Gesellschaft werde „… eine glücklichere sein, … mit weniger Problemen, mehr Lächeln, längerem Leben, ohne Hunger, unnötige Kämpfe und Umweltzerstörung.“

„Die grosse Hürde: Mit AGI explodiert der Strombedarf“

So der letzte Untertitel im Beitrag der NZZ. Die Antwort, woher dann der Strom kommt, wird dabei nicht mitgeliefert. Klar, es bedarf einer wesentlichen Verbesserung der Energieeffizienz. Und – kann man spitzfindig hinzufügen – auch der weltweiten Nutzung der Kernkraft (siehe hierzu unsere #109), sei es Kernspaltung und/oder -fusion.

2. Spitz-findig-keit

Vergangenheitsbewältigung gescheitert

Anlässlich des Tags der Deutschen Einheit wird in der NZZ vom 3.10.2023 (hinter Schranke) nüchtern festgestellt, dass in den 33 Jahren nach der Wiedervereinigung die Aufarbeitung der sozialistischen Diktatur nicht vorangekommen und die Ost-West-Debatte zum identitätspolitischen Dauerkrampf geworden, sprich die Vergangenheitsbewältigung krachend gescheitert ist.

„Für die Deutschen sollte der 3. Oktober deshalb eigentlich ein Tag der Freude sein. Denn mit der deutschen Wiedervereinigung wurde auch der Untergang der DDR besiegelt. Eines Staates also, der die Rechte seiner Bürger mit Füssen trat. Mit welcher Perfidie und Brutalität die Schergen des Regimes dabei vorgingen, kann man bis heute in zahlreichen Gedenkstätten erfahren. Etwa im ehemaligen Stasi-Knast im Berliner Ortsteil Hohenschönhausen. Hier wurden Menschen gequält, misshandelt, gefoltert, gebrochen und zerstört.“

Trotz der am 3. Oktober 1990 formaljuristisch hergestellten Einheit Deutschlands, lebe in vielen Köpfen der autoritäre Staat fort, auch weil nur ganz wenige SED-Spitzen überhaupt vor Gericht oder gar im Gefängnis landeten. Dadurch, dass sie im Gegenteil „… mit der Bundesregierung über die realsozialistische Insolvenzmasse feilschen …“ durften, konnte auch die SED-Nachfolgepartei PDS – heute Die Linke – im System der Bundesrepublik Fuß fassen.

Der Westen keine Avantgarde

Faz-net vom 4.10.2023 hält verschiedene Gedanken zum „Tag“ im Kopf von Jasper von Altenbockum fest, der einen deutschen Irrtum diagnostiziert. Vielleicht seien „… die Deutschen im Westen gar nicht die Avantgarde … .“ Denn: „Während sich in der ehemaligen DDR nach 1989 alles änderte, zerbrach sich die westdeutsche Öffentlichkeit den Kopf über die Zumutung, die Postleitzahlen fünfstellig werden zu lassen.“ Und heute: „Das Gefühl, von der Politik bevormundet zu werden, war erst eine ostdeutsche Spezialität und ist nun eine gesamtdeutsche. Und dass die Migrationspolitik in die völlig falsche Richtung führt, sagen nicht mehr nur Ostdeutsche, die keine Erfahrung mit Migranten haben. Sie sind nur nicht so zimperlich, was ihre Meinungsbildung angeht. Radikal wählen, wenn alles andere nicht hilft? Im Westen gibt es dafür historisch eingeübte Hemmschwellen. Im Osten nicht.“

Die Stimme aus Leipzig

Jens Lehmann am 3. Oktober als Zeitzeuge im Stauffenberg-Schloss in Albstadt-Lautlingen, war, so gesehen, nach der Sternstunde mit dem ungarischen Botschafter im letzten Jahr, ein weiterer Volltreffer. Nicht der Fußballtorwart gleichen Namens, sondern einer der erfolgreichsten deutschen Radsportler – mehrfacher Olympiasieger, Weltmeister, Deutscher Meister im Bahnradfahren.

Durch seine Biografie – Jahrgang 1967, aufgewachsen im Harz mit christlichem Hintergrund, gut zwei Jahrzehnten DDR-Erfahrung, bewußt erlebte und vor allem gelebte Wendezeit, beginnend mit den Friedensgebeten in der Nikolaikirche bis zu den Montagsdemonstrationen im Herbst 1989, gelernter Handwerker, anerkannter Leistungssportler, seit 2017 im Deutschen Bundestag als Mitglied der CDU für den Wahlkreis Leipzig I – bringt er enorm viel mit. Nach eigener, selbstbewußter Aussage keine Angst vor der AfD, keinerlei Berührungsängste, die dem auch in der Kommunalpolitik Aktiven abgehen. Im Schwarzwälder Boten vom 4.10. 2023 hat Susanne Grimm die kleineren, von Jens Lehmann zum Besten gegebenen Anekdoten – bis hin zu den durch die deutsche Einheit bei ihm ausgelösten Glücksgefühlen – schön eingefangen. Auch er selbst hat seinen Besuch auf Facebook schon kommentiert und bebildert.

3. Spitz-findig-keit

Dornröschen in der Welt von John Neumaier zu Besuch im Festspielhaus in Baden-Baden am vergangenen Freitag (ist kommenden Dienstag -10.10. um 19 Uhr – noch einmal zu sehen). In der Vorankündigung steht zu lesen: „Tschaikowskys ‚Dornröschen‘ in der Originalchoreografie von Petipa gilt als das bedeutendste klassische Ballett überhaupt. Doch was bedeutet das: Originalchoreografie? Es gibt heute nur Annäherungen und so machte Neumeier die zeitliche Distanz zwischen damals und heute selbst zum Thema. Wenn also Dornröschen nach 100 Jahren Schlaf wieder wachgeküsst wird, begegnen sich nicht nur zwei Menschen, sondern gleich zwei Epochen. Dieses Rendezvous erlaubte es dem Choreografen, das klassische Tanzrepertoire Petipas zu verwenden und die Geschichte dennoch in der Gegenwart anzusiedeln: einer abgerückten Gegenwart allerdings, wie so oft bei Neumeier dargeboten in märchenhaften Bilderwelten von Jürgen Rose.“

Lassen wir ganz einfach Bilder sprechen.

Kräftige Farben, abwechselungsreiche Dekorationen, eine Klangfülle ohnegleichen, ausdrucksstarke Tänze, akrobatische Figuren, auch leise Töne und sprechende Gesten, haben die Besucherinnen und Besucher im nahezu ausverkauften Festspielhaus mit frenetischem Beifall – fünf oder sechs Vorhänge – quittiert. Die Freude bei allen im Saal war mit Händen zu greifen, selbst John Neumeier war sichtlich beeindruckt.

Ergänzung

Zum besseren Verständnis der Handlung von „Dornröschen“, der musikgeschichtlichen Einordnung und Informationen über die Tänzerinnen und Tänzer des Balletts, der Link zum kompetenten Beitrag von Inga Dönges auf „Der Opernfreund“ vom 9.10.2023. Platz auch um Nicole S. zu übermitteln, dass es sehr angenehm war, sie und ihren persönlichen Bezug zum Ballett kennenzulernen. Desweiteren eine Zusammenfassung des Festspielhauses Baden-Baden über das diesjährige Tanzfestival „Ballett in der ganzen Stadt – The World of John Neumaier“ und ein Ausblick auf 2024.

Widmung

Dem Bitzer Hubert Schiele, der heute 59 Jahre alt wird, ist dieser Beitrag gewidmet. Ein integerer Bürgermeister der alten Schule, behende im Umgang mit Zahlen und Argumenten. Ein schwäbischer Freier Wähler, garantiert ohne „Flugblatthistorie“. Und vor allem ein freier Geist, mit gesundem Menschenverstand gesegnet, was Ex-Kollegen hoffnungsfroh stimmt. Den nächsten Geburtstag wird er, gemäß seiner eigenen Lebensplanung, als BM außer Diensten feiern.

Und hier geht es tierisch gut weiter.

#PreppoKompakt

Als Nachtrag die „Chronik des Irrsinns“ vom September auf der Achse des Guten vom 30.9.2023. Bei dieser Masse – 58 Fälle, die Claudio Casula aufzählt – weiß Mann/Frau nicht, was wegzulassen wäre. Deshalb nur ein kompaktes Beispiel, das uns zugleich auf das Ergebnis der heutigen Landtagswahl in Hessen (auch in Bayern wird ja gewählt) gespannt macht: „Nancy Faeser will in Hessen allen Nicht-EU-Ausländern, die sich länger als sechs Monate in Deutschland aufhalten, das aktive und passive Wahlrecht in der Kommune verleihen. Allgemeine Bestürzung. Am selben Tag rudert die SPD zurück: Durch einen ’saublöden Fehler‘ seien aus den sechs Jahren, von denen im Positionspapier die Rede gewesen sei, Monate geworden.“ Dazu meine Empfehlung, auch die restlichen 57 Fälle in Ruhe zu lesen und – obwohl erschreckend traurig – darüber kräftig zu lachen. Nur so ist dieser anhaltende Irrsinn überhaupt zu verkraften.

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