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Spitz-findig-keit #109

9 minutes

Spitz oder Spitze sind in aller Regel pointierte Aussagen zum Zeitgeschehen. Dies kann, muss aber nicht die Politik betreffen. Es kann auf die Gegenwart oder auch auf die Vergangenheit gemünzt sein. Spitz ist eine Aussage dann, wenn sie sticht, der betreffenden Person oder Personengruppe wehtut, spitze, wenn sie ausgezeichnet formuliert ist und im Idealfall zudem die Wahrheit abbildet. Fi/ündig, wenn der beschriebene Umstand nicht ganz offensichtlich, also erst zu ergründen ist. Und -keit lässt auf unterschiedliche menschliche Eigenheiten/-schaften schließen, wie beispielsweise Eitelkeit, Heiterkeit, Überheblichkeit oder, oder. Alles zusammengenommen eine echte Spitzfindigkeit. In unserer Kolumne ‚Spitz-findig-keit‘ zitieren wir in lockerer Folge jeweils zwei oder drei Aussagen und verschonen dabei auch nicht klassische Denkerinnen und Denker.

Um Denkanstöße zu geben, die Freude am Formulieren zu wecken – nichtzuletzt auch um dem Humor in unserer doch etwas trostloseren Zeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Erhöht das Wohlbefinden. Packen wir es an! Ich sage nicht, wir schaffen das. Aber wir probieren es auf jeden Fall!

Vorbemerkung

Es gibt nach Immanuel Kant auch eine falsche Spitzfindigkeit, die wir uns hier allerdings nicht zu eigen machen wollen. Wer dem dennoch nachgehen möchte – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren – kann dies hier gerne tun.

Heute widmen wir uns dafür einer Sache, die nur wir Deutschen so hinbekommen. Allerdings haben wir keinen Grund, stolz darauf zu sein. Ja, dieser Alleingang ist – im Grunde genommen – ein regelrechtes Trauerspiel.

1. Spitz-findig-keit

Gestern wurden unsere drei zuletzt verbliebenen Kernkraftwerke vom Netz genommen. Die Habecksche Argumentation dafür schlichtweg lächerlich, ja ausgesprochen dümmlich.

In der NZZ vom 5.4.2023 liest man dazu: „Im Ausland hat man die deutsche Entscheidung verwundert und ungläubig mitverfolgt. Kein Wunder, steckt Europa doch inmitten der grössten Energiekrise seit Jahrzehnten. Eigentlich braucht es gerade jetzt jedes verfügbare Kilowatt Strom, um die Energieversorgung sicherzustellen. Doch der Wirtschaftsminister Robert Habeck blieb hart: Atomenergie sei eine ‚Hochrisiko-Technologie‘ und müsse deshalb weg. – Punkt, aus. Widerspruch zwecklos. – Geht es hingegen um Kernkraftwerke, die gut 800 Kilometer jenseits der deutschen Landesgrenze stehen, scheinen den Grünen-Politiker keine Sicherheitsbedenken zu plagen. Auf seiner Reise nach Kiew wurde er nun vom Nachrichtensender der ‚Welt‘ gefragt, wie er denn zu den ukrainischen Meilern stehe. Habecks Antwort fiel überraschend aus: ‚Die Ukraine wird an der Atomkraft festhalten. Das ist völlig klar, und das ist auch in Ordnung, solange die Dinger sicher laufen. Sie sind ja gebaut.'“

Auf der Achse des Guten ein „schmerzlicher“ Kernkraft-Countdown von Manfred Haferburg, der übrigens in Paris lebt, in 16 lesenswerten Teilen (von hier), den gebührenden sonntäglichen Nachruf eingeschlossen (bis hier, alles zusammen zudem als bebilderte pdf-Broschüre herunterladbar). Sowie sein zusätzlicher Beitrag vom 10.4.2023 – hier – über die praktizierte Wahrheitsliebe unseres Wirtschafts- und Klimaministers. Als kleine Zugabe der süffisante Leser-Kommentar von Kurt Schrader. „An einem 15. April (vor 111 Jahren) funkte die Titanic ihre dreimal-kurz-, dreimal-lang-, dreimal-kurz-Signale in den Aether… immerhin 1/3 der an Bord befindlichen konnte gerettet werden… Der Kapitän hatte von allen Seiten Warnungen vor einer möglichen Kollision mit Eisbergen erhalten… er hat sie alle ignoriert… Am 15. April stellt Herr Habeck mit seiner Ampel die Atomkraftwerke ab… Warnungen hat es genug gegeben, aber Herr Habeck ist der Kapitän und deshalb weiß er Bescheid…“.

2. Spitz-findig-keit

„Damit ist das Zeitalter der Atomenergie in Deutschland nach sechs Jahrzehnten beendet. Weitere 60 Jahre wird es … dauern, die Hinterlassenschaften zu beseitigen – in einem sogenannten Endlager, von dem noch niemand weiß, wo es liegen soll. Abgeschlossen ist damit zwar nicht die Debatte, faktisch wird eine Rückkehr zum Atom mit dem Nicht-Knopfdruck am kommenden Wochenende aber so gut wie unmöglich – ganz gleich, welche Stimmungsumschwünge angesichts von Klima- und Energiekrisen noch folgen.“ So lautet der Schlußsatz auf faz-net vom 10.4.2023.

Mehrheitsmeinung pro Kernkraft

Dabei befürwortet bei aktuellen Erhebungen die Mehrheit der Deutschen den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke. Laut Handesblatt vom 10.4.2023, das sich beispielsweise auf eine YouGov-Umfrage bezieht, „… unterstützten allerdings nur 26 Prozent der Befragten die Abschaltung der Atomkraftwerke zum jetzigen Zeitpunkt. 32 Prozent sind dafür, dass die drei verbliebenen Meiler noch für einen begrenzten Zeitraum weiterlaufen. Weitere 33 Prozent sind sogar für eine unbegrenzte Verlängerung der Laufzeiten. Eine Mehrheit für das sofortige Ende der Atomkraft in Deutschland gibt es nur unter den Anhängern der Grünen mit 56 Prozent. Bei den Wählern aller anderen im Bundestag vertretenen Parteien überwiegt dagegen die Ablehnung. Von den Linken-Anhängern sind nur 37 Prozent für die Abschaltung der Meiler, dahinter folgen die SPD-Wähler mit 31 Prozent vor denen der CDU/CSU (16 Prozent) FDP (12 Prozent) und AfD (6 Prozent).“

Ähnlich auch das Ergebnis einer Forsa-Umfrage mit 1001 Befragten von Anfang des Monats, über die Tichys Einblick unter der Überschrift „Umfrage: Große Mehrheit gegen Abschaltung letzter Atomkraftwerke“ am 11.4.2023 berichtet.

„Geschichte“ der Nutzung der Kernkraft

In der NZZ vom 13.4.2023 wird chronologisch die nunmehrige „Geschichte“ der Nutzung der Kernkraft in Deutschland aufgezeigt (siehe Schaubild) und hinterfragt. Nachdem Otto Hahn 1938 der Kernspaltung den Weg geebnet hatte, konnte sich die junge Bundesrepublik in der Reaktortechnik zur Technologieführerin entwickeln. Die Frage, wie es gelingen konnte, dennoch den Stecker zu ziehen, beantwortet Anna Veronika Wendland – in ihrer Jugend war die Marburger Technikhistorikerin selbst auf Anti-Atom-Kurs; jüngst hat sie im Petitionsausschuss – hier – für den Weiterbetrieb argumentiert – wie folgt:

„Indem man Angst vor ihr verbreitet und gleichzeitig einen Ausweg anbietet: Diese Doppelstrategie war erfolgreich … . Die deutschen Atomkraftwerke mussten eigentlich für Tschernobyl und Fukushima büssen, sie waren Täter ohne Tat, … und verweist auf die aus ihrer Sicht nur geringfügigen Störungen, seit 1961 in Kahl in Bayern erstmals nuklear erzeugter Strom ins deutsche Netz eingespeist wurde. … Man erzählte den Leuten, die AKW seien überflüssig, weil man ja die sanften Erneuerbaren habe …“ und ließ unerwähnt, dass man diese dann mit Kohle- und Gaskraftwerken absichern muss.

Kernkraft international

Sieht man sich die Entwicklung der Kernkraft international an, so sind wir bei dieser „Reise“ eindeutig der Geisterfahrer. Auf der Seite des Nuklearforums Schweiz ist es nüchtern so beschrieben. „Sechs neue Einheiten gingen im Jahr 2022 ans Netz, fünf wurden stillgelegt. Die USA erzeugten im Jahr 2022 mit 92 Anlagen (2 stehen in Bau) am meisten Atomstrom, vor China (55 Reaktoren), Frankreich (56 Reaktoren) und Russland (37 Reaktoren).“

Und weiter. „In Japan haben seit dem Erdbeben in Fukushima 10 von 33 Kernkraftwerken alle Stufen des verschärften Wiederinbetriebnahme-Verfahrens erfolgreich abgeschlossen und sind wieder in Betrieb. 7 Anlagen haben bereits die Genehmigung zum Wiederanfahren. Weitere 10 haben ihre Sicherheitsinspektion für die Wiederinbetriebnahme abgeschlossen und wären betriebsbereit. Zwei Anlagen befinden sich im Bau. Anders als in der Schweiz und in Deutschland … investieren die meisten Kernenergieländer weiterhin in diese ressourcen- und umweltschonende Technologie. So standen Ende 2022 weltweit 57 Kernkraftwerke in Bau, 18 davon in China, und gut 100 sind geplant.“

ARD-Doku/Story

Die ARD hat am 11.4.2023 eine dreiviertelstündige Doku mit dem Titel „Deutschland schaltet ab – der Atomausstieg und die Folgen“ im Programm (bis 11.4.2025 verfügbar). In fast ungewohnter Objektivität wird die Thematik von beiden Seiten beleuchtet. Mit Patrick Kraichen fällt dabei der Mann ins Auge, der seit Ende 2021 als beamteter Staatssekretär unter Habeck maßgeblich die Klimapolitik bestimmt und durch seine zuvor ausgeübte Lobby-Tätigkeit auch die Energiewende wesentlich mitgesteuert hat. Das Handelsblatt vom 24.3.2023 hat über den mit harten Bandagen kompromißlos Kämpfenden geschrieben, ohne jedoch sein familiäres Netzwerk/Filz im Ministerium zu thematisieren (dafür hier bei uns in der #44 festgehalten).

Einer anderen, hierzu aber passenden Personalie widmet die NZZ vom 13.4.2023 einen Artikel (hinter Schranke). Er handelt von der Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), die als „Grünen-Flüsterin“ reichlich Munition für den Kampf gegen die Kernkraft lieferte. Die allzuoft „… statt einer betriebswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Abwägung eine politische Rechnung aufmachte.“ Und die nun, ebenso wie die Grünen, am Wochenende die Sektkorken knallen lassen kann.

3. Spitz-findig-keit

Schon 2021 wurde in Hamburg auch ein modernes Steinkohlekraftwerk stillgelegt. „Moorburg war eines der modernsten und effizientesten Steinkohlekraftwerke in Deutschland und konnte mit seinen zwei Blöcken mit jeweils 827 Megawatt Leistung elf Terawattstunden Strom im Jahr erzeugen. Das entspricht fast dem gesamten Strombedarf der Hansestadt. Der Bau hatte drei Milliarden Euro gekostet, die Anlage war aber nur sechseinhalb Jahre nach Inbetriebnahme im vergangenen Jahr stillgelegt worden.“ So auf t-online vom 12.9.2022 zu lesen. Auch Argumente, angesichts des Ukraine-Krieges die Entscheidung zu revidieren, fanden beim rot-grünen Hamburger Senat kein Gehör.

Die Anlage wurde nun am 1. März von der Stadt Hamburg gekauft, die dort mit Partnern aus der Industrie ab 2026 „grünen“ Wasserstoff herstellen möchte. „Nach Informationen von NDR 90,3 haben die Hamburger Energiewerke am Mittwoch die Kaufverträge mit Vattenfall unterzeichnet. Über den Kaufpreis vereinbarten beide Seiten Stillschweigen. Mit übernommen werden auch 94 der verbliebenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kraftwerks.“ Glückauf – lautete der deutsche Bergmannsgruß.

Und hier geht es weiter spitzfindig zu.

#PreppoKompakt

Es ist zum Heulen! Meine in den 10 Kipppunkte-Beiträgen – von hier bis hier – zum Ausdruck gebrachte Hoffnung, dass sich der Bewußtseinswandel auch bei den politischen Entscheidungsträgern in Deutschland einstellt, hat getrogen. Der gesunde Menschenverstand konnte sich nicht durchsetzen. Die Zeche dafür, um in der Sprache der Bergleute zu bleiben, werden wir alle bezahlen.

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